Festes Goldhydrid am European XFEL
Gold ist ein Edelmetall mit ungewöhnlich großen chemischen Widerstandskräften. Unter Normalbedingungen ist es praktisch inaktiv und liegt in der Natur gediegen (elementar) vor . Sein vollständig gefüllter d-Orbitalzustand und die relativ hohe Elektronegativität machen Gold äußerst reaktionsträge, wodurch es selten stabile Verbindungen mit Wasserstoff oder anderen Nichtmetallen bildet. Wegen dieser Inertheit wird Gold in Experimenten oft als passiver Wärmeabsorber oder Druckkapsel verwendet .
Experimentelle Bedingungen am European XFEL: Eine internationale Forschergruppe am European XFEL (in Schenefeld/Hamburg) hat nun gezeigt, dass Gold unter extremen Bedingungen plötzlich aktiv wird. Im Hochenergie-Dichte-Instrument (HED) des XFEL wurde Gold in einer Diamantstempelzelle auf Drücke von über 40 GPa gepresst und gleichzeitig mit ultrakurzen Röntgenpulsestrahlen auf Temperaturen von ca. 2500 °C erhitzt . Die Wasserstoffquelle in diesem Experiment waren eingebettete Kohlenwasserstoffe: Diese setzten durch die extreme Hitze H₂ frei, das in das Gold eindrang. Um die ultraschnellen Vorgänge zu detektieren, kam der bei DESY entwickelte AGIPD-Röntgendetektor zum Einsatz, der einzelne XFEL-Pulse einzeln auflösen kann . Insgesamt waren am Experiment Forscher des Europäischen XFEL, des DESY, des SLAC (USA), der Universität Rostock, Carnegie Institution for Science u.v.a. beteiligt .
Herstellung und Struktur des Goldhydrids: Unter diesen Bedingungen reagierte das ehemals inerte Gold mit Wasserstoff zu einem völlig neuen Festkörper: dem Goldhydrid. Die Messungen zeigen, dass sich oberhalb von ~40 GPa das kubisch-flächenzentrierte (fcc-)Gitter des Goldes in eine hexagonal-dicht gepackte (hcp) Struktur umwandelt, in deren Zwischenräumen die Wasserstoffatome „hineinfließen“ . Die Verbindung trägt die Summenformel Au₂Hₓ, wobei der Wasserstoffgehalt x mit steigendem Druck zunimmt und zwischen 0 und annähernd 1 liegt . Begleitende DFT-Molekulardynamik-Simulationen bestätigen diese Struktur: Sie zeigen ein hcp-Goldgitter mit atomar verteilter, ungeordneter H-Einlagerung . Ein wesentliches Merkmal ist, dass der Wasserstoff im festen Goldgitternetz besonders mobil ist – ein so genannter superionischer Zustand . Dabei bleibt das Goldgitter starr, während die Wasserstoffionen sich nahezu flüssig durch die Zwischenräume bewegen . Dieser Effekt erhöht die Leitfähigkeit des Materials und ist in Goldverbindungen völlig neuartig, wurde bisher nur bei sehr hydrogenreichen Systemen beobachtet .
Analytische Methoden: Die Identifizierung des Goldhydrids erfolgte hauptsächlich durch zeitaufgelöste Röntgenbeugungsexperimente am XFEL. Die kurzen, intensiven Röntgenblitze des Lasers (mit Wiederholraten von Megahertz) erlaubten die Vermessung der Kristallstruktur in situ, bevor die Probe wieder abkühlte . Der AGIPD-Detektor, entwickelt von DESY, löste die einzelnen Röntgenpulse auf, sodass die Bildung der neuen Phase in Echtzeit verfolgt werden konnte . Ergänzend wurden Dichtefunktional- und Molekulardynamik-Rechnungen durchgeführt, um die atomare Anordnung und Dynamik zu modellieren . Aus diesem Zusammenspiel von Experiment und Simulation ergab sich ein detailliertes Bild des Goldhydrids.
Eigenschaften des Goldhydrids: Das Goldhydrid existiert nur unter den extremen Messbedingungen als neuer Festkörper. Beim Abkühlen zerfällt es wieder in gewöhnliches Gold mit kubisch-flächenzentrierter Struktur . Der zerlegbare Charakter erklärt, warum frühere Experimente die Phase nicht entdeckten: Die Proben wurden meist erst bei Raumtemperatur untersucht und die flüchtige Hochtemperaturphase war längst verschwunden . Trotz seiner Instabilität unter Normalbedingungen ist das Goldhydrid von großem Interesse. Die hexagonal dicht gepackte Goldstruktur besitzt eine gitterfeste Grundlage, in der sich Wasserstoffionen extrem leicht bewegen können . Solch ein Zustand könnte Einfluss auf Transport- und Leitfähigkeitseigenschaften haben, bleibt aber hauptsächlich ein Forschungsthema. Die chemische Bindung von Gold mit Wasserstoff selbst – erstmals demonstriert – erweitert das Verständnis der Chemie unter Hochdruck.
Wissenschaftliche und technologische Anwendungen: Hydridverbindungen unter hohem Druck werden intensiv im Kontext von Energiespeicherung und Supraleitung erforscht. In Druckhydriden lassen sich Wasserstoff-Ionen dicht speichern, und manche wasserstoffreiche Hydride zeigen Hochtemperatursupraleitung . Goldhydrid als schwerer Träger könnte neue Einsichten bieten, etwa beim Studium dichter Wasserstoffphasen, wie sie in Gasplaneten oder Sterne vorliegen . Die Mobilität des Wasserstoffs im Goldgitter lässt sich mit Konzepten zur Fusionsforschung in Zusammenhang bringen: Das Verhalten dichter atomarer Wasserstoffmengen ist relevant für Prozesse in Sternen und kann hier ansatzweise im Labor simuliert werden . Praktische Anwendungen liegen vorerst in der Grundlagenforschung: Die Ergebnisse werfen ein neues Licht auf die Verwendung von Gold in Hochdruckexperimenten. Bisher galt Gold dort als passiv (“Druckmarker”, Dichtung), doch die neue Studie zeigt, dass es unter bestimmten Druck-Temperatur-Bedingungen reagiert . Zukünftige Experimente müssen die Rolle von Gold neu bewerten und könnten weitere unerwartete Edelmetallverbindungen aufdecken .
Insgesamt demonstriert die Arbeit am European XFEL eindrucksvoll, wie extreme Drücke und ultraschnelle Röntgenlaserchemie zu neuartigen Materialien führen können. Die Publikation im Angewandte Chemie International Edition dokumentiert den ersten Nachweis einer festen Gold-Wasserstoff-Verbindung . Sie eröffnet neue Perspektiven für die Chemie unter Extrembedingungen und gibt Impulse für Forschung in Materialwissenschaften, Energietechnik und Geowissenschaften.
Quellen: Pressemitteilungen des European XFEL, DESY und Carnegie Science sowie Fachpublikationen (M. Frost et al., Angew. Chem. 2025) wurden zur Information herangezogen .
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