Freitag, 17. Oktober 2025

QuNET: Initiative für hochsichere Quantenkommunikation in Deutschland

Einführung in die QuNET-Initiative

Die QuNET-Initiative wurde im Herbst 2019 ins Leben gerufen, um abhörsichere Kommunikationsnetze auf Basis von Quantentechnologie zu erforschen und aufzubauen. Sie ist eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierte Großinitiative mit einem Fördervolumen von insgesamt rund 125 Millionen Euro (geplant bis 2026)[1][2]. Beteiligt sind federführend renommierte Forschungseinrichtungen wie die Fraunhofer-Gesellschaft (insbesondere die Institute IOF in Jena und HHI in Berlin), die Max-Planck-Gesellschaft (Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts in Erlangen), das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU)[2]. Gemeinsam sollen sie ein Pilotnetz für Quantenkommunikation in Deutschland aufbauen, das eine abhör- und manipulationssichere Datenübertragung ermöglicht[3]. Dieses Vorhaben dient zugleich der digitalen Souveränität Deutschlands, indem es die Sicherheit kritischer Kommunikationsinfrastrukturen stärkt[3].

Politisch eingebettet ist QuNET in die Strategie Deutschlands und Europas, frühzeitig auf die Herausforderungen des Quantenzeitalters zu reagieren. Zur Auftaktveranstaltung im November 2019 betonte die damalige Bundesforschungsministerin Anja Karliczek die zentrale Bedeutung sicherer Kommunikationssysteme: „Im digitalen Zeitalter sind Wirtschaft und Gesellschaft auf sichere Kommunikation angewiesen. […] Die Quantenkommunikation bietet dafür einzigartige Möglichkeiten. Deutschland und Europa müssen in diesem Bereich eigene Kompetenzen ausbauen, um nicht von anderen abhängig zu werden. […] Mit der Initiative QuNET legen deutsche Spitzenforschung und Unternehmen gemeinsam den Grundstein für die sichere Kommunikation der Zukunft“[4][5]. QuNET richtet sich zunächst auf die sichere Kommunikation zwischen Regierungsbehörden, soll aber darüber hinaus als Plattform für den Aufbau einer nationalen Quantenkommunikationsinfrastruktur dienen und perspektivisch den Weg zu einem europäischen Quantennetz ebnen[6]. Damit leistet QuNET einen wichtigen Beitrag zur Cybersicherheit und zur Vision eines „vertrauenswürdigsten Datenraums der Welt“ in Europa[7].



Technologische Grundlagen: Quantenkommunikation und -kryptographie

QuNET basiert auf den Prinzipien der Quantenkommunikation, insbesondere der Quantenkryptographie. Anders als klassische Verschlüsselung, die auf mathematischen Problemen beruht und mit künftigen Hochleistungsrechnern (Quantencomputern) angreifbar werden könnte[8][9], nutzt die Quantenkryptographie physikalische Gesetzmäßigkeiten für absolute Sicherheit[10][11]. Das bekannteste Verfahren ist die Quanten-Schlüsselverteilung (QKD, Quantum Key Distribution). Dabei werden geheime kryptographische Schlüssel mithilfe einzelner Lichtteilchen (Photonen) übertragen. Das Besondere daran: Jeder Abhörversuch verändert aufgrund der Quantenphysik sofort den Zustand dieser Teilchen und wird dadurch unweigerlich bemerkt[11][12]. Vereinfacht ausgedrückt kann ein Quantensignal nicht abgehört oder kopiert werden, ohne Spuren zu hinterlassen. Sender und Empfänger erkennen eine Manipulation beim Austausch der Photonen und können so sicherstellen, dass nur sie beide schließlich über identische, geheime Schlüssel verfügen[12]. Mit diesen Schlüsseln lassen sich Nachrichten anschließend abhörsicher verschlüsseln – ein Prinzip, das selbst durch zukünftige Quantencomputer nicht geknackt werden kann[13]. Die Physik garantiert hier also die Vertraulichkeit, nicht mehr allein die Schwierigkeit mathematischer Probleme.

Grundlagen der Quantenphysik wie Superposition und Verschränkung spielen dabei eine wichtige Rolle[14]. Verschränkung bedeutet, dass zwei Teilchen (z. B. zwei Photonen) einen gemeinsamen quantenphysikalischen Zustand teilen – eine Änderung an dem einen Partikel wirkt sich instantan auf das andere aus, selbst über große Entfernungen[15]. Dieses Phänomen kann für die Quantenkommunikation genutzt werden, um z. B. entfernungsunabhängige Korrelationen zu erzeugen. So kommen in manchen QKD-Protokollen verschränkte Photonenpaare zum Einsatz, bei denen Sender und Empfänger jeweils eines der beiden verschränkten Teilchen erhalten. Die Messergebnisse dieser Paare sind zufällig, aber perfekt korreliert – daraus lassen sich ebenfalls sichere Schlüssel ableiten. Wichtig ist: Sobald ein drittes Partikel (ein Lauschangreifer) versucht, ein verschränktes Photon auszulesen, gehen die besonderen Korrelationen verloren und der Abhörversuch wird offenbar.

Als Informationsträger dienen in der Quantenkommunikation typischerweise Photonen, die entweder durch Glasfaserkabel oder frei durch die Luft (Freistrahl, z. B. Laserlink) geschickt werden. Beide Übertragungswege haben Vor- und Nachteile. In optischen Glasfasern werden Photonen zuverlässig geführt, jedoch treten Dämpfungsverluste auf, die die Reichweite ohne Zwischenstation begrenzen (derzeit auf einige hundert Kilometer)[16]. Freistrahlverbindungen – etwa zwischen Satelliten und Bodenstationen oder zwischen zwei Stationen mit Sichtverbindung – können sehr große Distanzen überbrücken, da im Vakuum des Weltraums kaum Verluste auftreten. So lassen sich theoretisch interkontinentale Quantenverbindungen realisieren, wie beispielsweise mit dem chinesischen Quantenkommunikationssatelliten „Micius“ demonstriert wurde[17]. Allerdings sind Freilinks wetterabhängig und erfordern präzises Tracking der Stationen. Eine Herausforderung der aktuellen Forschung sind daher Quanten-Repeater und hybride Netzwerke, um die Vorteile beider Welten zu kombinieren. Künftige Quantennetzwerke könnten Satelliten, Flugzeuge oder andere mobile Plattformen als Knoten nutzen, um über große Entfernungen hinweg Quantenschlüssel auszutauschen[16]. Erste Schritte dahin unternimmt QuNET bereits, indem es sowohl in Glasfaser-basiertes QKD als auch in Freistrahl-Technologien investiert.

Aktueller Stand von Forschung und Umsetzung (Oktober 2025)

Seit dem Start der Initiative wurden in QuNET wichtige Meilensteine erreicht. In mehreren groß angelegten Schlüsselexperimenten konnten die beteiligten Partner ihre Technologien erfolgreich demonstrieren:

·         Abhörsichere Videokonferenz 2021: Bereits im August 2021 gelang den QuNET-Forschern die erste quantengesicherte Videoverbindung zwischen zwei Bundesbehörden[18]. Über eine direkte QKD-Glasfaserstrecke wurden das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Berlin und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Bonn verbunden. Diese Punkt-zu-Punkt-Demonstration zeigte, dass Quantenverschlüsselung in realen Behördennetzen prinzipiell funktioniert – ein entscheidender Vertrauensbeweis gegenüber der neuen Technologie.

Bild: Quantenkommunikations-Teststrecke am Fraunhofer IOF in Jena (2019–2023). Ein mobiler QuBUS-Container (Empfangsstation, rechts) und eine Senderstation auf dem Dach der Stadtwerke Jena (außerhalb des Bildes) sind durch einen Laser-Freistrahllink (blaue Linie) verbunden. Vom QuBUS aus wird das Signal in eine Glasfaser (rote Linie) eingespeist und zum Quantenlabor weitergeleitet. Solche hybriden Verbindungen aus Freiraum- und Glasfaserstrecken ermöglichen es, Lücken im Glasfasernetz – etwa über Gelände-Hindernisse – zu überbrücken[19][20].

  • Hybrid-Netz in Jena 2023: Im Juni 2023 erzielte QuNET einen Durchbruch bei der Kombination verschiedener Übertragungswege. In Jena wurde erfolgreich ein Quantenschlüsselaustausch über eine rund 2 Kilometer lange Teststrecke realisiert, die einen Freistrahl-Link und ein Glasfasersegment hybrid verband[21][22]. Trotz hellem Tageslicht konnten stabile Schlüssel mit einer Rate im Kilobit-pro-Sekunde-Bereich generiert werden[23] – ein bemerkenswerter Erfolg, da Sonnenlicht normalerweise quantenoptische Signale stört. Möglich wurde dies durch spezielle Filter und Technologien, die das Quantenlink robust gegen Umwelteinflüsse machen[24]. Zum Einsatz kamen mobile Quantenkommunikations-Container namens QuBUS, die als flexible Sender- und Empfängerstationen dienen. Dieses Schlüsselexperiment zeigte, dass ad-hoc Quantenverbindungen in urbaner Umgebung machbar sind und dass man durch clevere Kopplung von Freistrecken und Glasfaser Reichweitenlücken schließen kann[20]. Perspektivisch ließen sich solche mobilen Stationen z. B. bei Veranstaltungen oder in Regionen mit lückenhafter Infrastruktur einsetzen, um kurzfristig abhörsichere Kommunikationskanäle bereitzustellen[25].
  • Quanten-Testnetz Berlin 2024: Im Jahr 2024 verlagerte QuNET den Fokus auf Mehrnutzer-Netzwerke. In der Metropolregion Berlin wurde ein städtisches Quantennetz mit sechs Knotenpunkten aufgebaut, um den aktuellen Entwicklungsstand unter realen Bedingungen zu erproben[26][27]. Beteiligt waren neben den Forschungspartnern auch institutionelle Anwender: So wurden Standorte der Fraunhofer HHI (Berlin-Charlottenburg), der Bundesdruckerei GmbH und der Deutschen Telekom AG mit quantenkryptographischen Links verbunden[28][27]. Das Testnetz umfasste insgesamt über 125 km Glasfaserstrecke sowie zusätzliche Freiluft-Laserstrecken zwischen Gebäuden[27]. In diesem heterogenen Netz kamen parallel verschiedene in QuNET entwickelte QKD-Systeme zum Einsatz, die interoperabel zusammenspielen[27]. Erstmals wurde damit demonstriert, wie sich mehrere Nutzer*innen in einem Stadtnetz quantengesichert vernetzen lassen – über reine Punkt-zu-Punkt-Verbindungen hinaus[26]. Über das Berliner Netz wurden vertrauliche Daten zwischen mehreren Einrichtungen ausgetauscht und live durch Quantenmethoden geschützt[29]. Das Experiment adressierte auch praktische Herausforderungen wie optisches Routing und Switching von Quantenschlüsseln im Netzbetrieb[30]. Die Erkenntnisse aus Berlin gelten als wichtiger Schritt hin zu komplexen Quanten-Kommunikationsnetzen mit vielen Teilnehmern (z. B. in Regierungs- oder Unternehmensnetzen).

Bild: Forschungsflugzeug Dornier 228 des DLR, ausgerüstet mit einem optischen Kommunikationsterminal für Quantenkommunikation (Versuchsaufbau QuNET 2025). Solche mobilen Plattformen dienen als fliegende Knotenpunkte in einem Quantennetz und ermöglichen den Schlüsselaustausch über große Distanzen. Im Rumpf der Maschine befindet sich eine von Fraunhofer IOF entwickelte Photonenquelle, die verschränkte Lichtteilchen aussendet. Am Boden nimmt der mobile QuBUS-Container (optische Bodenstation) die Photonen präzise erfasst entgegen[31][32].

·         Quantenkanäle per Flugzeug 2025: Im Oktober 2025 erreichte QuNET einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zur globalen Quantenkommunikation. In einem spektakulären Flugexperiment zwischen Oberpfaffenhofen (Bayern) und Erlangen wurde ein Quantenschlüssel erstmals von einem Flugzeug zu einer Bodenstation übertragen[33][31]. Das DLR-Forschungsflugzeug (eine Dornier 228) fungierte als mobiler Knoten in einem Quantennetz und war mit einem speziell angepassten optischen Terminal ausgestattet[31]. Während des Flugs sendete es einzelne Photonen zielgerichtet an den am Boden positionierten QuBUS-Empfänger, wo diese erfolgreich detektiert und weiterverarbeitet wurden[34]. Die Forscher maßen verschiedene Quantenkanäle zwischen Flugzeug und Boden, testeten Technologien zur QKD und schickten die empfangenen Photonen sogar in eine Ionenfallen-Experiment am MPL in Erlangen[35][36]. Damit wurde nicht nur die Machbarkeit einer stabilen Freiraum-QKD bei einem bewegten Sender demonstriert, sondern auch gezeigt, dass man solche fliegenden Verbindungen perspektivisch zur Koppelung von Quanten­speichern oder Quantencomputern nutzen könnte[37]. Die im Flug erzielten Ergebnisse gelten als wegweisend für zukünftige Anwendungen – insbesondere für ein angestrebtes Quanteninternet, in dem verteilt stehende Quantencomputer über große Distanz verbunden werden[38]. Florian Moll vom DLR erklärt die Bedeutung dieser Technologie: In Glasfasern sei direkte Quantenkommunikation physikalisch nur über einige Hundert Kilometer möglich, „die Quantenverschlüsselung via Satellit hingegen ermöglicht beliebig größere Distanzen auf der Erde“[16]. Langfristig sollen daher Satelliten ebenso wie Flugzeuge integrale Bestandteile eines weltumspannenden Quantennetzes werden[39] – QuNET liefert hierfür das nötige Know-how in Form praxistauglicher Lösungen.

Zusammenfassend hat QuNET innerhalb weniger Jahre eine Entwicklung vom Einzelstrecken-Demonstrator hin zu immer komplexeren Netzszenarien vollzogen. Die bisherigen Pilotprojekte – vom abhörsicheren Behörden-Link über städtische Testnetze bis zur luftgestützten Übertragung – belegen die Machbarkeit der Quantentechnologie unter realistischen Bedingungen. Begleitet wurden diese Demonstrationen von wissenschaftlichen Veröffentlichungen und einem intensiven Kompetenzaufbau bei allen Partnern. QuNET ist in Phasen organisiert (z. B. QuNET-alpha für die erste Phase[40]), und parallel wurden sogenannte QuNET+-Ergänzungsprojekte gestartet, um spezifische Fragestellungen (etwa Standardisierung, Schlüsselmanagement, Integration von Machine Learning etc.) zu bearbeiten. Die Fortschritte werden regelmäßig auf Fachkonferenzen und in Gremien präsentiert. Stand Oktober 2025 befindet sich QuNET auf Kurs, die gesetzten Ziele bis zum geplanten Ende 2026 zu erreichen – nämlich ein funktionierendes quantengesichertes Netzwerk zwischen staatlichen Stellen aufzubauen und die technische Grundlage für darüberhinausgehende Anwendungen zu legen.

Bedeutung für Deutschland und Europa

Die QuNET-Initiative hat für Deutschland und Europa eine hohe strategische Bedeutung. Zum einen geht es um die technologische Souveränität: In einem Feld, das global von rasanten Fortschritten geprägt ist, wollen Deutschland und die EU eigene Kompetenzen und Schlüsseltechnologien entwickeln, um nicht von ausländischen Anbietern abhängig zu sein[5]. QuNET vereint dazu die führenden deutschen Forschungsinstitutionen im Bereich Quantenkommunikation und fördert gezielt den Transfer der Erkenntnisse in die Industrie. So sind von Beginn an Industriepartner an Bord – etwa aus der Telekommunikation (Deutsche Telekom, ADVA Optical Networking) oder der Satellitentechnik (Tesat-Spacecom)[41]. Diese enge Verzahnung von Wissenschaft, Wirtschaft und staatlichen Bedarfsträgern soll gewährleisten, dass Deutschland eine Vorreiterrolle in der praktischen Umsetzung quantensicherer Kommunikationsnetze einnimmt[42]. Fraunhofer-Präsident Reimund Neugebauer unterstrich bei der QuNET-Ankündigung, dass so die „Technologieführerschaft Deutschlands in diesem strategisch wichtigen Bereich ausgebaut“ werden könne[43]. Langfristig strebt man an, sämtliche kritische Komponenten – von Single-Photon-Quellen über Detektoren bis zu Netzwerkgeräten – in Deutschland bzw. Europa produzieren zu können[44]. Dadurch sollen vertrauenswürdige, inländische Lieferketten für Quantenkommunikationssysteme entstehen, was gerade für sicherheitskritische Anwendungen essentiell ist.

Zum anderen adressiert QuNET ein Kernanliegen der EU: die Cybersicherheit und den Schutz sensibler Daten im digitalen Binnenmarkt. Auf europäischer Ebene läuft parallel die Initiative EuroQCI (European Quantum Communication Infrastructure), die den Aufbau eines gesamteuropäischen Quantennetzes vorantreibt – bestehend aus einem Satelliten-System und länderübergreifend vernetzten Glasfaser-QKD-Strecken[45]. Deutschland mit QuNET ist ein wichtiger Pfeiler in diesem Vorhaben. In den nächsten Jahren soll ein quantensicherer „EU-Datenraum“ entstehen, der grenzüberschreitende sichere Kommunikation zwischen Behörden, kritischen Infrastrukturen und möglicherweise auch Unternehmen ermöglicht[46]. Die in QuNET gewonnenen Erfahrungen fließen in diese europäischen Projekte ein, sodass die Lösungen kompatibel und europaweit skalierbar sind (Stichwort Standardisierung, z. B. Abstimmung mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik)[47]. Im globalen Kontext steht Europa dabei im Wettbewerb mit anderen Vorreitern: China hat mit Micius 2016 den ersten Quantenkommunikationssatelliten gestartet und bereits 2017 eine interkontinentale quantenverschlüsselte Videokonferenz (zwischen Peking und Wien) durchgeführt[17]. Auch die USA investieren in Quantenforschung und Post-Quanten-Kryptographie. Vor diesem Hintergrund ist QuNET für Deutschland und Europa ein Signal: Man ist entschlossen, beim Wettlauf um die Quanten-Technologien nicht ins Hintertreffen zu geraten. Vielmehr soll durch QuNET und ähnliche Programme die Fähigkeit gestärkt werden, eigene sichere Kommunikationsinfrastrukturen aufzubauen – als Grundlage für digitale Souveränität in einer Zukunft mit Quantencomputern.

Potenzielle Anwendungen und gesellschaftliche Relevanz

QuNET fokussiert auf Anwendungen, die ein höchstes Schutzniveau erfordern. Ein vorrangiges Einsatzfeld ist die Kommunikation zwischen staatlichen Stellen: Behörden, Ministerien oder auch die Bundeswehr müssen in der Lage sein, geheime Informationen auszutauschen, ohne Abhörrisiko. Quantenkryptographie bietet hier perspektivisch abhörsichere Leitungen für Telefonie, Videokonferenzen oder den Dokumentenaustausch[48]. Bereits heute werden erste Pilotstrecken zwischen Bundesbehörden getestet (wie die erwähnte BMBF–BSI Verbindung). In Zukunft könnten sämtliche Regierungsnetze – etwa das Bundesnetz – durch QKD-Technik zusätzlich gesichert werden. Auch auf Ebene der Länder und Kommunen ließen sich besonders schützenswerte Verbindungen (z. B. in der Justiz oder Polizei) quantum-safe gestalten.

Ein weiteres Anwendungsfeld ist der Finanzsektor und die Wirtschaft. Banken, Versicherungen und Großunternehmen verfügen über Rechenzentren und Kommunikationsleitungen, deren Kompromittierung gravierende Folgen hätte. Denkbar ist beispielsweise, zwei Rechenzentren über eine QKD-Strecke zu koppeln, sodass Überweisungsdaten oder Kundendaten selbst im Angriffsfall vertraulich bleiben[49]. Auch Industriegeheimnisse ließen sich so bei Standort-zu-Standort-Verbindungen schützen. In hochvernetzten Branchen (Automobil, Chemie, Tech) könnte Quantenkommunikation helfen, Spionageangriffe abzuwehren, da jeder Abhörversuch sofort detektiert würde. Ebenso sind kritische Infrastrukturen ein zentrales Einsatzgebiet: Betreiber von Strom- und Energienetzen, Verkehrsleitsystemen, Telekommunikationsnetzen und ähnlichem könnten ihre Steuer- und Kontrollkommunikation mit QKD absichern[50]. Gerade in Zeiten zunehmender Cyberattacken auf Versorgungsnetze würde dies die Resilienz erhöhen.

Im Gesundheitswesen verspricht Quantenkommunikation verbesserten Datenschutz. So könnten Krankenhäuser, Arztpraxen und Behörden Gesundheitsdaten oder Genom-Informationen per QKD austauschen, ohne dass Unbefugte mitlesen können[51]. Elektronische Patientenakten, die zwischen Kliniken und Cloud-Servern übertragen werden, wären durch Quantenschlüssel vor nachträglichem Entschlüsseln geschützt. Auch in der öffentlichen Verwaltung denkbar: Bürgerdaten (Meldewesen, Steuer, Justiz) könnten zwischen Standorten nur noch über quantengesicherte Kanäle transferiert werden, um Leaks oder Manipulation auszuschließen. Insgesamt würden so die Grundrechte auf Datenschutz und Vertraulichkeit in der digitalen Kommunikation erheblich gestärkt.

Eine wichtige Motivation ist zudem der Schutz vor dem Szenario „Store-Now-Decrypt-Later“: Schon heute speichern Angreifer verschlüsselte Informationen mit dem Plan, sie in Zukunft – etwa mit einem Quantencomputer – zu entschlüsseln[51]. Besonders Daten, die über lange Zeit geheim bleiben müssen (etwa personenbezogene Daten im Gesundheitsbereich oder Staatsgeheimnisse), sind dadurch in Gefahr[51]. Quantenkryptographie bietet hier einen Ausweg. Wenn kritische Informationen bereits heute quantengesichert übertragen werden, können abgefangene Kommunikationsinhalte später nicht mehr entschlüsselt werden – selbst dann nicht, wenn der Angreifer über deutlich leistungsfähigere Rechner verfügt. QuNET trägt damit zur Zukunftssicherheit unserer Kommunikation bei: Daten, die jetzt mit QKD geschützt werden, bleiben vertraulich, egal welche Entschlüsselungstechnologien morgen auftauchen[8].

Über die reinen Sicherheitsanwendungen hinaus eröffnet die in QuNET entwickelte Technologie auch neue Innovationspotenziale. Ein ausgebautes Quanten-Kommunikationsnetz könnte als Rückgrat eines „Quanteninternets“ dienen[38]. Darauf ließen sich weitere Dienste aufsetzen, etwa die Vernetzung von Quantencomputern untereinander, um überregionale Quantenrechennetze zu bilden. Erste Experimente in QuNET haben gezeigt, dass die Kopplung von Quantenprozessoren über freie Laserstrecken grundsätzlich möglich ist[37]. Ferner könnten ultra-genaue Atomuhren via Quantenlinks synchronisiert und Zeitstandards verteilt werden (für Navigation oder Forschung relevant). Auch Quantensensoren an verschiedenen Orten ließen sich so verbinden, um gemeinsame Messungen durchzuführen. Diese Perspektiven liegen zwar noch einige Jahre in der Zukunft, doch QuNET schafft bereits jetzt die Grundlage dafür.

Nicht zuletzt hat die QuNET-Initiative eine gesellschaftliche Signalwirkung. Sie demonstriert, dass Deutschland gewillt ist, neuen Bedrohungen in der digitalen Welt mit High-Tech-Lösungen zu begegnen. Gelingt es, Quantenverschlüsselung zur Marktreife zu führen, könnte dies das Vertrauen von Bürgern und Unternehmen in digitale Infrastrukturen stärken. Sichere Kommunikation ist ein Enabler für die Digitalisierung: Wenn sensible Transaktionen (etwa im E-Government, E-Health oder Online-Banking) als wirklich abhörsicher gelten, steigt die Akzeptanz und Nutzung solcher Dienste. Langfristig könnte Quantenkommunikation so zum Grundpfeiler einer sicheren digitalen Gesellschaft werden – analog zu SSL/TLS im heutigen Internet, aber eben gegen die Angriffe von morgen gewappnet. Insofern reicht die gesellschaftliche Relevanz von QuNET weit über die Technik-Community hinaus: Es geht um nichts Geringeres als die Vertraulichkeit und Integrität unserer digitalen Lebensadern in der Zukunft. QuNET hat den Auftrag, hierfür Lösungen zu entwickeln – und die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass dieses ambitionierte Ziel erreichbar ist[8].

Fazit: Die QuNET-Initiative steht exemplarisch für den Aufbruch in eine neue Ära der Kommunikation. Sie verbindet Spitzenforschung mit konkreten Pilotanwendungen, um Deutschlands und Europas digitale Infrastruktur quantensicher zu machen. Von der politischen Unterstützung über die technischen Durchbrüche bis hin zu möglichen Alltagsanwendungen spannt sich ein Bogen, der zeigt: Die sichere Kommunikation der Zukunft beginnt heute. QuNET legt den Grundstein dafür, dass vertrauliche Daten auch im kommenden Zeitalter der Quantencomputer geschützt bleiben – in Deutschland, in Europa und darüber hinaus.

Quellen: Offizielle Webseiten und Pressemitteilungen der QuNET-Initiative, Fraunhofer IOF/HHI, DLR und Max-Planck-Gesellschaft; sowie Beiträge aus Fachmedien (Tagesspiegel Background, Quantum Photonics) und Forschungseinrichtungen. (Zitierte Belege sind im Text verlinkt.)[1][3][5][6][11][12][13][15][16][18][23][27][33][37][17][48][51]


[1] [2] [8] [36] [37] Grundlage für ein zukünftiges Quantennetz – Quantenkanäle im Flug getestet

https://www.dlr.de/de/aktuelles/nachrichten/2025/grundlage-fuer-ein-zukuenftiges-quantennetz-quantenkanaele-im-flug-getestet

[3] [4] [5] [6] [7] [12] [13] [41] [42] [43] [46] [47] Neuigkeiten - QuNET

https://qunet-initiative.de/neuigkeiten/

[9] [10] [11] [14] [15] Quantenkommunikation: Die Zukunft der sicheren Datenübertragung - Quantum Photonics

https://www.quantum-photonics.de/de/c/quantenkommunikation-die-zukunft-der-sicheren-datenuebertragung.65556

[16] [31] [32] [33] [34] [35] [38] [39] QuNET Schlüsselexperiment 3: Quantenkanäle im Flug getestet - Fraunhofer IOF

https://www.iof.fraunhofer.de/de/presse-medien/pressemitteilungen/2025/QuNET-Schluesselexperiment-3-Quantenkanaele-im-Flug-getestet.html

[17] Scientists have conducted the first ever Quantum video call | World Economic Forum

https://www.weforum.org/stories/2017/10/scientists-have-conducted-the-first-ever-quantum-video-call/

[18] [26] [27] [28] [29] [30] Schlüsselexperiment der QuNET-Initiative: Hochsichere Quantenkommunikation im urbanen Umfeld

https://nachrichten.idw-online.de/2024/08/22/schluesselexperiment-der-qunet-initiative-hochsichere-quantenkommunikation-im-urbanen-umfeld

[19] [20] [21] [22] [23] [24] [25] QuNET-Schluesselexperiment-2023 - Fraunhofer IOF

https://www.iof.fraunhofer.de/de/presse-medien/pressemitteilungen/2023/QuNET-Schluesselexperiment-2023.html

[40] QuNET

https://www.hhi.fraunhofer.de/en/departments/pn/projects/qunet-alpha.html

[44] [48] [51] Homepage - QuNET

https://qunet-initiative.de/en/homepage/

[45] EuroQCI: Wie sich die EU-Vision der Quantensicherheit mit dem Fachwissen von fragmentiX deckt - fragmentiX

https://fragmentix.com/de/euroqci-eu-quantum-safe-vision-aligns/

[49] [50] Application scenarios - QuNET

https://qunet-initiative.de/en/en-application-scenarios/

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