Samstag, 4. Mai 2024

Muslimische Präsenz in Deutschland (speziell Berlin) ab den 1920er Jahren bis in den 2. Weltkrieg hinein

1) Einleitung

 Wer an muslimisches Leben in Deutschland denkt, assoziiert dies meist mit der beginnenden Arbeitsmigration in den 60er und 70er Jahren und fortführend mit den nachfolgenden Familien. So leben heute viele muslimische Familien in dritter Generation in Deutschland. Diese Tatsache hat zu einer weiterreichenden und langjährigen Debatte über Integration geführt. Ein wichtiges Stichwort hierbei: „Parallelgesellschaft“.

Wenn auch nicht in den Ausmaßen zur Zeit des Wirtschaftswunders, so findet in Deutschland weiterhin Immigration, und damit auch die von Muslimen, statt. Mittlerweile leben in Deutschland ca. 3,8 bis 4,3 Millionen Muslime. Der Bundespräsidenten unterstrich diese Tatsache mit dem Satz: „Der Islam gehört zu Deutschland“.

Die Anfänge muslimischen Lebens in Deutschland reicht jedoch weit in der Geschichte zurück. „Als die Osmanen 1683 zum zweiten Mal Wien belagerten und die „Türkennot“ das Lebensgefühl ganz Europas prägte, eilten auch Fürsten aus Deutschland zur Verteidigung der Stadt.“[1] Einige hundert Kriegsgefangene kamen quasi als Beute nach Deutschland.[2] Die Mehrheit wurde entweder getauft oder kehrte in ihre Heimat zurück.[3] Als ältester Beweis muslimischen Lebens gelten zwei Grabsteine, die um 1690 entstanden.[4] 

„Das 18. Jahrhundert brachte wiederum Muslime nach Deutschland, diesmal als Soldaten im preußischen Heer.“[5] Widerlegt scheint die These, dass bereits 1739 eine Gemeinde von 22 türkischen Kriegsgefangenen in Potsdam gegründet wurde.[6]

„Seit 1763 gab es in Berlin eine ständige osmanische Gesandtschaft.“[7] „Der dritte osmanische Gesandte, Ali Aziz Efendi, verstarb am 29. Oktober 1798.“[8] „Zu seiner Bestattung stellte der preußische König ein Gelände zu Verfügung – nach einem Geländetausch der Grundstein des bis heute erhaltenen islamischen Friedhofs am Columbiadamm.“[9]

Während des 1. Weltkrieges kämpfte das Osmanische Reich auf der Seite der Mittelmächte, aber auch auf Seiten der Entente gab es muslimische Soldaten. Infolge dessen kamen muslimische Militärs und Kriegsgefangene nach Deutschland. Bei Berlin entstanden zwei Lager zur Internierung muslimischer Gefangener.[10] „Propaganda und regelrechte Umerziehung sollte sie dazu bringen, auf osmanischer Seite erneut in den Krieg einzutreten.“[11] „Im Zuge dieser propagandistischen Ziele errichtete man den gefangenen Muslimen im Lager Wünsdorf eine eigene Moschee, die sogenannte Wünsdorfer Moschee, deren Eröffnung am 13. Juli 1915 stattfand.“[12] Hierbei handelte es sich um die erste Moschee Deutschlands. Nach dem Krieg war die Moschee für die berlinerischen Muslime nicht nur Gebets- sondern auch Versammlungsort. Der Holzbau wurde 1924 wegen Baufälligkeit geschlossen, jedoch erinnert die „Moscheestraße“ und einige Soldatengräber an ihre Existenz.[13]

Zunächst werde ich kurz darauf eingehen, warum sich das islamische Leben Deutschlands während jener Zeit auf Berlin konzentrierte, um nachfolgend die Gründungsgeschichte und das Wirken der verschiedenen Berlinerischen Islamischen Vereine und Organisationen von den 20er Jahren bis hin in den zweiten Weltkrieg beschreiben. Dabei werde ich auch den Einfluss des Nationalsozialismus auf das islamische Gemeindeleben Berlins und die stattgefundene Instrumentalisierung anschneiden.

 2) Warum speziell Berlin?

„Mit dem Ende des Krieges blieb eine Reihe muslimischer Exilanten und Flüchtlinge vornehmlich in Berlin.“[14] Zudem kam bereits ab Januar 1920 eine wachsende Zahl junger Muslime zur Aufnahme eines Studiums vor allem nach Berlin.[15] „Deutschland war für die Studenten, die mit Devisen ausgestattet waren, ein attraktives und während der Inflation ein preisgünstiges Land.“[16] So entwickelte sich Berlin, wo seinerzeit ca. 1.800 Muslime lebten,  zum Zentrum islamischen Lebens in Deutschland.[17] Neben den Muslimen unterschiedlichster Herkunft, gab es auch eine kleine, aber nicht unbedeutende Zahl deutscher Muslime.[18] In den damals erschienen Zeitschriften gibt es etliche Hinweise, dass eine ähnliche Entwicklung, wie ich sie beschreiben werde, auch in anderen Städten Deutschlands stattgefunden hat, jedoch liegen hierüber bislang keine Untersuchungen vor.[19]

 3) Islamische Vereine Berlins

 Die Vielfalt innerhalb der islamischen Gemeinschaft Berlins spiegelt sich in der Gründung unterschiedlicher Vereine im Laufe der 20er und 30er Jahre wieder.[20] „Gerade an den Muslimen in Berlin lässt sich die Konstruktion kultureller Nähe oder Ferne und das Durchbrechen kultureller Muster zeigen, denn in der Fremde stellte sich für sie die Frage nach der eigenen Identität in einem größeren Maße als zu Hause.“[21]

Die 20er Jahre waren für die Länder des Nahen  Ostens eine Zeit des Umbruchs, resultierend aus dem Weg in die Unabhängigkeit und somit der Befreiung von den europäischen Kolonialmächten.[22] Die islamischen Vereine boten eine Grundlage für die Auseinandersetzung zwischen der eigenen islamischen und der unlängst vorherrschenden europäischen Kultur. „Weiterhin zeigen die zahlreiche Publikationen und Aktivitäten der Muslime zu jener Zeit in ihrer Thematik erstaunlich viele Parallelen zu aktuellen Diskussionen, die heute im Dialog oder auch in der Auseinandersetzung zwischen den Muslimen und der hiesigen Gesellschaft geführt werden.“[23]

Für den Zeitraum der 30er und 40er Jahre stellt sich auf der einen Seite die Frage nach

einer etwaigen Kollaboration oder Gleichschaltung der Vereine durch die Nazis und auf der anderen die nach etwaige Repressalien. In der Kollaborationsfrage spielt der Großmufti Amin al-Husayni von Jerusalem, der ab 1942  bis Kriegsende in Berlin lebte, eine bedeutsame Rolle. Es gab ausgehend von den islamischen Vereinen Berlins keine einheitliche, aufeinander abgestimmte Zusammenarbeit mit den Nazis, diese wurde sogar häufig verweigert und seitens der Behörden waren die Vereine unerwünscht.[24]

3.1) Deutsche Gesellschaft für Islamkunde e.V.

Diese Gesellschaft wurde bereits 1913 in Berlin gegründet. Gemäß ihrer Satzung sollte sie die ethischen, kulturellen, religiösen und wirtschaftlichen Zustände der Islamwelt mit besonderer Rücksicht auf die Gegenwart erforschen.[25] „Mitglieder waren vorwiegend deutsche Wissenschaftler und Beamte, die am Orient beruflich oder privat interessiert waren.“[26] Ich werde den Verein nicht näher beschreiben, da er nicht von und für Muslime gegründet wurde. Die Frage, welches Verhältnis zum NS-Regime bestand, lässt sich leicht beantworten: Alle Vorstandsmitglieder waren linientreue Nationalsozialisten.[27]

 3.2) Sufi-Bewegung e.V.

Im Jahr 1925 gründete sich die Sufi-Bewegung e.V., die während ihres Bestehens weit aus weniger Mitglieder hatte als die anderen Berliner Vereine.[28] Der mystische Charakter des Vereins zog vor allem am Islam interessierte Deutsche an.[29] „Auf der ordentlichen Mitgliederversammlung vom 12. April 1932 waren neun Mitglieder anwesend und ein Mitglied fehlte entschuldigt.“[30] „An diesem Tag wurden noch fünf neue Mitglieder aufgenommen.“[31] Es waren vier Frauen deutscher Staatsangehörigkeit und der persische Journalist Kazemzadeh Iranschaer, der u. a. auch Kontakt zur Deutsch-Moslemischen Gesellschaft hatte.[32] „Bereits ein Jahr nach dieser letzten Mitgliederversammlung, der Sufi-Bewegung e.V. schrieb die stellvertretende Vorstandsvorsitzende Daisy Strauss am 26. April 1933 an das Amtsgericht Berlin Mitte, dass die Bewegung >>ihre Tätigkeit bis auf weiteres eingestellt<< habe, weshalb sie darum bat >>den eingetragenen Verein zu löschen<<.“[33]

Die kommissarische Vertretung des Vereins übernahm ein gewisser Bruno von Barany, der nach erneuten Nachfragen des Amtsgerichtes angab, der Verein habe sich Aufgrund der am 26. Oktober 1933 erlassenden >>Verfügung des Führers<< aufgelöst, das rechtlich mit den >>internationalen Juden<< gleichgestellt wurde.[34]

 3.3) Islamische Gemeinde zu Berlin e.V. und Islam Institut zu Berlin (e. V.) bzw. Islamisches Zentral-Institut e. V.

„Am 4. November 1922 wurde die Islamische Gemeinde zu Berlin e. V. als erster islamischer Verein gegründet und am 19. Februar 1923 in das Vereinsregister beim Amtsgericht Berlin-Mitte eingetragen.“[35] Beschlossen wurde die Gründung im Zuge des Fastenbrechens am

29. Mai 1922 in der Wünsdorfer Moschee[36] Der Gründer und Imam der Islamische Gemeinde zu Berlin e.V. war der Inder Abdul Jabbar Kheiri, der seit 1919 in Deutschland lebte, und abgesichert durch ein beträchtliches Barvermögen, in Berlin Geschichte und Nationalökonomie studierte.[37] „Gemäß § 7 ihrer Statuten sah die Gemeinde ihre Aufgabe darin, „die gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder nach jeder Richtung hin zu vertreten und zu fördern,“ was unter anderem durch „die Förderung der religiösen Pflichten und Vorschriften, sowie Errichtung öffentlichen Gottesdienstes und Religionsunterrichtes; … die Abhaltung von Vorträgen und Unterhaltungen; die Herausgabe einer Gemeindezeitschrift; … die Errichtung einer Moschee.“[38]

Während den ersten Jahren ihrer Existenz vereinte die Islamische Gemeinde einen Grossteil der in Berlin lebenden Muslime.[39] „Gläubige aus über vierzig Ländern waren Mitglieder im Verein.“[40]

 Aus der Gemeinde ging 1924 als Studentenorganisation die Islamia Akademisch-Islamische Vereinigung hervor, deren Vorsitzender ebenfalls der Imam war.[41]

 „Wie schwierig die Durchsetzung der Vereinsziele war, zeigt sich als die Wünsdorfer Moschee wegen Baufälligkeit Ende 1924 geschlossen werden mußte und die gemeinsamen Gebete der Muslime behelfsmäßig an anderen Orten stattfinden mussten, wie z. B. auf dem Dach der Volkssternwarte in Treptow.“[42]

„Schwerwiegender als diese äußeren Umstände wirkte sich aber die internen Streitigkeiten auf das Gemeindeleben aus.“[43] „Diese Auseinandersetzungen hatten ihren Ursprung darin, daß die Gemeindemitglieder von den gesellschaftlichen und politischen Veränderungen  in den Heimatländern – wie z. B. der Abschaffung des Kalifats durch das türkische Parlament am

3. März 1924 – nicht unberührt blieben, und die Auseinandersetzungen in die islamische Gemeinde hineingetragen wurden.“[44]  Zum vollständigen Bruch kam es, als der Vorsitzende und Imam Abdul Jabbar Kheiri durch einen Beschluss der außerordentlichen Generalversammlung vom 31. Januar 1928 unter dem Vorwurf schwerwiegenden vereinsschädigenden Verhaltens abgesetzt und an seine Stelle der Syrer Hadsch Mohammed Nafi Tschelebi gewählt wurde.[45]

„Die letzten dokumentierten Vereinsaktivitäten lassen sich mit dem Datum vom 1. Dezember 1941 nachweisen.“[46]

 Im zeitlichen Zusammenhang der Auseinandersetzung um die Leitung der islamischen Gemeinde steht die Gründung einer weiteren islamischen Institution in Berlin: Am 4. November 1927 wurde durch den bereits erwähnten Tschelebi, den deutschen Muslim Mohammed Hassan Hoffman und den Orientalisten Prof. Dr. Georg Kampffmeyer das Islam-Institut zu Berlin gegründet.[47] Das Institut hatte neben dem Stiftungsrat – in dem auch Julius Bachem, Mitglied des Preußischen Landtages saß – einen Ehrenausschuss, dessen Vorsitz Franz von Pappen (späterer Reichskanzler) führte.[48] „Obwohl das Institut nach >>dem Statut<< den >>Charakter einer frommen Stiftung (waqf)<< trug, wurde beschlossen, >>den Stiftungsrat als Verein in Vereinsregister eintragen zu lassen<<, um >>dem Institut Rechtsfähigkeit zu verschaffen, ohne den umständlichen Rechtsweg zur Annerkennung als Stiftung zu beschreiten<<.“[49] Tschelebi verkündete im Rahmen der Eröffnung, das das Institut ein geistiges Zentrum für den Kulturaustausch zwischen Deutschland und der islamischen Welt werden sollte.[50]

 Nachdem Tschelebi im Sommer 1933 tödlich verunglückte und bedingt durch den Machtantritt der Nationalsozialisten, verlor das Islam-Institut zu Berlin seitdem zunehmend an Bedeutung.[51] Dies änderte sich, als sich der Journalist Habibur Rahman, der für etliche indische Tageszeitungen korrespondierte, eine führende Rolle im Berliner Islam übernehmen sollte.[52] Rahman war seit 1936 Generalsekretär der Islamische Gemeinde zu Berlin e. V..[53]

Er besaß nicht nur gute Beziehungen zum Reichspropagandaministerium, sondern auch zum Außenpolitischen Amt der NSDAP.[54] Diesen Kontakten Rahmans hatte die Islamische Gemeinde vielleicht zu verdanken, das >>Bedenken in weltanschaulich-politischer Hinsicht<< ausblieben.[55]

Am 2. Februar 1939 wurde ein Verein mit dem Namen Islam Institut zu Berlin e. V. gegründet, der am 19. September desselben Jahrs ins Vereinsregister eingetragen wurde.[56] „Wenn auch die Namensgebung den Eindruck zu erwecken scheint, daß es sich bei dem Verein um eine Fortführung der Stiftung von 1927 handelte, so war dem nicht so.“[57] Der neu gegründete Verein ging eben nicht auf das Islam-Institut zu Berlin und seine Stiftungsrat zurück, sondern vielmehr auf die Islamische Gemeinde, die sich durch diesen Schritt die Kontrolle über das Institut aneignen wollte.[58]

Im Jahr 1941 beschloss der Stiftungsrat des 1927 gegründeten Islam Instituts, die Umwandlung in einen eingetragenen Verein vorzunehmen.[59] „Dies geschah mit ausdrücklicher Zustimmung entsprechender nationalsozialistischer Stellen.“[60] Der Verein musste sich allerdings einen neuen Namen geben, da der Name Islam Institut zu Berlin e. V. bereits durch die Gründung von 1939 vergeben war.[61] „Am 22. Februar 1941 erfolgte daher die Gründung unter dem Namen Islamisches Zentral-Institut zu Berlin e. V., was am 29. Mai 1942 beim zuständigen Vereinsregister eingetragen wurde.“[62] „Laut § 2 der Vereinssatzung war der Zweck des Zentral-Instituts „die organisierte wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Islam, die Pflege kultischen Lebens, die Zusammenfassung der Muslime und die Wahrnehmung ihrer Interessen“, was in ausdrücklichem Rückbezug auf das 1927 gegründete Islam-Institut der Fall sein sollte.“[63] „Doch scheint das Zentral-Institut weniger diesen Aufgaben nachgegangen zu sein, als vielmehr zu einem Ort der Auseinandersetzung divergierender Interessen geworden zu sein.“[64] „Die Streitigkeiten zwischen Mitgliedern des das Zentral-Instituts und der Islamischen Gemeinde gelangten an einen Höhepunkt, als Ende 1942 der in Berlin ansässige Großmufti von Jerusalem einbezogen wurde und den Machtkampf zu seinen Gunsten entschied: Am 17. März 1943 wurde in seinem Haus und in seiner Anwesenheit als Schirmherr einer seiner Gefolgsleute zum Vorsitzenden des Zentral-Instituts gewählt.[65] Der letzte nachweisbare Vorgang der Vereinsgeschichte war Eintrag des neuen Vorsitzenden vom 10. August 1944.[66]

3.4) Moslemische Gemeinschaft bzw. Deutsch-Muslimische

Gesellschaft e. V.

 „Eine weitere wichtige Rolle in der islamischen Szene im Berlin der zwanziger und dreißiger Jahre spielte die Moslemische Gemeinschaft, bei der es sich um die Anhängerschaft der Lahore-Richtung der Ahmadiyya handelt, einer im 19. Jahrhundert im damaligen Indien entstandenen islamischen Sondergruppe.“[67] „Die Moslemische Gemeinschaft entfaltete in jenen Jahren beachtliche Aktivitäten.“[68] „Seit April 1924 wurde von einem ihrer Mitglieder, zunächst von Maulana Sadr-du-Din und danach von Khan Durrani, die Moslemische Revue herausgegeben.“[69]  „Hierbei handelte es sich um eine vierteljährlich in deutscher Sprache erscheinende Zeitschrift, in der theologische und politische Fragen aus der islamischen Welt in anspruchsvoller Weise behandelt wurden.“[70] Die Zeitschrift erschien bis 1940.[71] Sadr-du-Din war es auch der 1939 die erste von einem Muslim vorgenommene deutsche Koranübersetzung herausgab.[72] Wie schon erwähnt wurde die Wünsdorfer Moschee 1924 wegen Baufälligkeit geschlossen und die Muslime mussten zum Gebet auf andere Orte ausweichen. So war es auch Sadr-du-Din der am 26. April 1925 im Stadtbezirk Wilmersdorf am Fehrbelliner Platz eine noch heute bestehende Moschee eröffnete.[73]    

„Die Ziele der Gruppierung waren weniger im politischen Bereich als vielmehr in der Aufklärung über den Islam und in der Ausbreitung seines religiösen Wirkungskreises zu sehen.“[74] „So waren die meisten Gemeindemitglieder, zu denen später noch etliche deutsche Konvertiten zählten, selbst auch keine Anhänger der Ahmadiyya.“[75]

„Aus der Moslemischen Gemeinschaft ist am 22. März 1930 ein eingetragener Verein hervorgegangen, der unter dem Namen Deutsch-Muslimische Gesellschaft e. V. am 30. Mai 1930 in das Vereinsregister eingetragen wurde.“[76] Auch Nichtmuslime konnten eine außerordentliche Mitgliedschaft erwerben sowie Vorstandsposten bekleiden.[77] „Nach § 5 Abs. b der Satzung war der Imam der Moschee von Amts wegen ständiges Mitglied des Vorstandes und Generalsekretär des Vereins, der nach § 5 S. 2 allein vertretungsberechtigt war.“[78] Dieses Amt führte mit einer Unterbrechung lange Zeit der aus Indien stammende Sheikh Muhammad Abdullah.[79]

„Mit der Zeit ist es aber auch bei der Deutsch-Muslimische Gesellschaft zu Streitigkeiten gekommen, allerdings nicht innerhalb des Vereins, sondern mit der Islamischen Gemeinde.“[80] Bei der Generalsversammlung von 19. September 1936 wurde festgestellt, dass die Arbeit des Vereins unter dem Zwist gelitten habe.[81] „Bei der der Generalsversammlung von 24. September 1938 stellte sogar ein Vereinsmitglied den Antrag auf Vereinigung mit der Islamischen Gemeinde, was die Versammlung jedoch vehement ablehnte.“[82]

Die Muslimische Gesellschaft wurde während der NS-Zeit misstrauisch von den Behörden beobachtet.[83] „Aus der Sicht der Reichsleitung der NSDAP bestanden „sowohl in formaler als auch in weltanschaulich-politischer Hinsicht“ gegen den Fortbestand der Gesellschaft „erhebliche Bedenken“.[84] Innerhalb der Gesellschaft sollen abfällige Bemerkungen über den Nationalsozialismus und Adolf Hitler geäußert worden sein, zudem sollen Juden zur Gesellschaft gehören und den sog. Kurfürstendammjuden soll Unterschlupf geboten worden sein.[85] „Dennoch ist die Gesellschaft nicht verboten oder aufgehoben worden.“[86] Während des Krieges stellte sie ihre Aktivitäten ein, und löste sich scheinbar selbst auf.[87] „Die Verwalterin der Wilmersdorfer Moschee teilte dem Amtsgericht Berlin-Charlottenburg auf einer Postkarte mit Datum vom 2. November 1956 mit, das die Deutsch-Muslimische Gesellschaft seit drei Jahren erloschen sei.“[88]

 3.5) Islamischer Weltkongress, Zweigstelle Berlin e. V.

„Der Erste Weltkrieg hatte eine Reihe tiefgreifender Auswirkungen auf die islamische Welt gehabt: Die arabischen Teile des Osmanischen Reichs waren unter britische oder französische Verwaltung gekommen, das Kalifat war durch das türkische Parlament abgeschafft worden, und die heiligen Stätten in Mekka und Medina waren unter die Herrschaft der Wahhabiten gekommen.“[89] Zur Klärung der Kalifatsfrage und anderer Themen wurden seit 1924 mehrere internationale islamische Konferenzen und Kongresse abgehalten.[90] Im Jahr 1931 wurde durch den Goßmufti von Jerusalem ein allgemeiner Islamischer Weltkongress nach Jerusalem einberufen, der sich durch die Schaffung eines Exekutivkomitees zur Ausführung der getroffenen Beschlüsse eine beständige Struktur gab.[91]

Am 31. Oktober 1932 fand im Gemeindehaus der Wilmersdorfer Moschee eine >>Versammlung der Muslime zwecks Gründung<< der Berliner Zweigstelle des Islamischen Weltkongresses statt.[92] Initiator war der in Teheran geborene Student Hossein Danesch.[93] Das Ziel war es, die verschiedenen Berliner Vereine unter dem Dach des Islamischen Weltkongress zu einen.[94] So waren neben Danesch auch Mitglieder der Islamische Gemeinde zu Berlin e. V.  und der Deutsch-Muslimische Gesellschaft e. V. anwesend.[95]

Zum Ersten Vorstandsvorsitzenden wurde Danesch gewählt.[96] „Es wurde darauf geachtet, dass von allen im Verein vertretenen acht Nationen je ein Mitglied im Vorstand saß.“[97] „Bereits am 22. Februar 1933 bezifferte das Amtsgericht die Mitgliederzahl auf vierzig Personen.“[98] „Die Eintragung in das Vereinsregister erfolgte am 31. Mai 1933.“[99] „Über die Gründung hinaus scheint der Verein keine besonderen Aktivitäten entfaltet zu haben; zumindest ist dies aus den Registerakten nicht ersichtlich, wo sich seit der Eintragung überwiegend nur amtliche Vermerke und Kostenrechnungen finden.“[100] Aus einem Vermerk des Berliner Polizeipräsidenten vom 27. Dezember 1939 geht hervor, dass der Verein zum damaligen Zeitpunkt laut Aussage Daneschs keinerlei Vereinsaktivität mehr entfalte.[101] So sollen keinerlei Versammlungen mehr stattgefunden haben, noch wurden Mitgliedsbeiträge erhoben.[102] „Somit scheint die Existenz dieses Vereins nur von kurzer Dauer gewesen zu sein.“[103]  

4) Fazit

Zwischen den beiden Weltkriegen ist es zu den ersten bedeutenden Formen von Selbstorganisation der in Berlin lebenden Muslime gekommen.[104] Dabei wurden teilweise Strukturen aus der Islamischen Welt übernommen und an das deutsche Vereinsrecht angepasst.[105] Aufgrund von Aktennachweisen, kann davon ausgegangen werden, dass nur ein Bruchteil der in Berlin  lebenden Muslime in den genannten Vereinen organisiert war.[106] Insofern kann man sagen, dass diese Vereine keine wirklich bedeutsamen Erscheinungen waren, jedoch kann man die These aufstellen, dass die Anwesenheit von Muslimen eine Art kulturelle Innovation zur Folge hatte.[107] Diese Annahme bestätigt sich in den zahlreichen Publikationen und Veranstaltungen jener Zeit.[108] Während des Nationalsozialismus lösten sich nach und nach die in den 20er Jahren gebildeten Strukturen auf. Die Aktivität der beschriebenen Vereine erlag soweit, dass nur noch das gleichgeschaltete Islamisches Zentral-Institut zu Berlin e. V. unter der Schirmherrschaft des den Nazis ergebenen Großmuftis von Jerusalem gab.[109] Letztlich war ein Großteil der Berliner Muslime, wie viele andere auch, der Willkür des NS-Regimes ausgesetzt. Eine Kollaboration erfolgte nur sporadisch und weitestgehend individuell.[110]

Keiner der Vereine hat den 2. Weltkrieg überdauert. „Ursache dafür sind nicht allein die Kriegswirren, sondern vor allem die Uneinigkeit und die Streitigkeiten innerhalb der islamischen Gemeinschaft sowie die teilweise politische Instrumentalisierung.“[111] 

Einige heute bestehende Vereine sehen sich als Rechtsnachfolger, so z. B. das Zentralinstitut Islam-Archive-Deutschland e. V. und der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland / Islamische Weltkongreß Deutschland (altpreußischer Tradition) e. V., jedoch sind diese Ansprüche weder historisch noch rechtlich haltbar.[112] „Dabei handelt es sich vielmehr um den zweifelhaften Versuch, an ein zumal fragwürdiges historisches Erbe anzuknüpfen und es in aktuell anstehenden Fragen einer gesellschaftlichen Akzeptanz islamischer Institutionen in Deutschland zu verwenden, indem der Anschein einer historischen Kontinuität erweckt wird.“[113]


[1] Lemmen, Thomas: Islamische Vereine und Verbände in Deutschland, Bonn 2002, S. 15.

[2] Vgl. ebd.

[3] Vgl. ebd.

[4] Vgl. ebd.

[5] Ebd.

[6] Vgl. ebd.

[7] Ebd.

[8] Ebd.

[9] Ebd.

[10] Vgl. ebd,

[11] Ebd, S. 15/16.

[12] Lemmen, Thomas: Muslime in Deutschland. Eine Herausforderung für Kirche und Gesellschaft (=Schriften des Zentrum für Europäische Integrationsforschung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Bd. 46), Baden-Baden 2001, S. 20.

[13] Vgl. Lemmen, Thomas: Islamische Vereine und Verbände in Deutschland: a.a.O., S. 16.

[14] Ebd,

[15] Vgl. Bauknecht, Bernd: Muslime in Deutschland von 1920 bis 1945, in: Zeitschrift für Religionswissenschaften 9. Jahrgang, Heft 1 (2001), S. 41-81, S. 41.

[16] Ebd.

[17] Vgl. Lemmen, Thomas: Muslime in Deutschland: a.a.O., S. 20.

[18] Vgl. ebd.

[19] Vgl. Bauknecht, Bernd: a.a.O., S. 81.

[20] Vgl. Lemmen, Thomas: Muslime in Deutschland: a.a.O., S. 20.

[21] Bauknecht, Bernd: a.a.O., S. 41/42

[22] Vgl. ebd., S. 41.

[23] Ebd., S. 42

[24] Vgl. ebd.

[25] Vgl. ebd., S. 64.

[26] Ebd.

[27] Vgl. ebd.

[28] Vgl. ebd., S. 65.

[29] Vgl. ebd.

[30] Ebd.

[31] Ebd.

[32] Vgl. ebd., S. 65/66.

[33] Ebd., S. 66.

[34] Vgl. ebd,

[35] Lemmen, Thomas: Muslime in Deutschland: a.a.O., S. 20.

[36] Vgl. ebd.

[37] Vgl. Bauknecht, Bernd: a.a.O., S. 43.

 

[38] Lemmen, Thomas: Muslime in Deutschland: a.a.O., S. 20/21.

[39] Vgl. Bauknecht, Bernd: a.a.O., S. 43.

[40] Ebd.

[41] Vgl. Lemmen, Thomas: Muslime in Deutschland: a.a.O., S. 21.

[42] Ebd.

[43] Ebd.

[44] Ebd.

[45] Vgl. ebd.

[46] Ebd.

[47] Vgl. ebd.

[48] Vgl. Bauknecht, Bernd: a.a.O., S. 75.

[49] Ebd.

[50] Vgl. ebd.

[51] Vgl. ebd., S. 76.

[52] Vgl. ebd.

[53] Vgl. ebd.

[54] Vgl. ebd.

[55] Vgl. ebd.

[56] Vgl. Lemmen, Thomas: Muslime in Deutschland: a.a.O., S. 22.

[57] Ebd., S. 22/23.

[58] Vgl. ebd., S. 23.

[59] Vgl. ebd.

[60] Ebd.

[61] Vgl. ebd., S. 24.

[62] Ebd.

[63] Ebd.

[64] Ebd,

[65] Ebd,

[66] Vgl. ebd.

[67] Ebd.

[68] Ebd.

[69] Ebd., S. 24/25

[70] Ebd., S. 25.

[71] Vgl. ebd.

[72] Vgl. ebd.

[73] Vgl. Bauknecht, Bernd: a.a.O., S. 44/45.

[74] Ebd., S. 45.

[75] Ebd.

[76] Lemmen, Thomas: Muslime in Deutschland: a.a.O., S. 25.

[77] Vgl. ebd.

[78] Ebd,

[79] Vgl. ebd.

[80] Ebd,, S. 26.

[81] Vgl. ebd.

[82] Ebd.

[83] Vgl. ebd.

[84] Ebd.

[85] Vgl. ebd.

[86] Ebd.

[87] Vgl. ebd.

[88] Ebd.

[89] Ebd.

[90] Vgl. ebd.

[91] Vgl. ebd., S. 26/27.

[92] Vgl. Bauknecht, Bernd: a.a.O., S. 69.

[93] Vgl. ebd.

[94] Vgl. ebd.

[95] Vgl. ebd.

[96] Vgl. ebd.

[97] Ebd.

[98] Ebd.

[99] Ebd.

[100] Lemmen, Thomas: Muslime in Deutschland: a.a.O., S. 27.

[101] Vgl. ebd.

[102] Vgl. ebd.

[103] Ebd.

[104] Vgl. ebd.

[105] Vgl. ebd.

[106] Vgl. ebd.

[107] Vgl. Bauknecht, Bernd: a.a.O., S. 81.

[108] Vgl. ebd.

[109] Vgl. ebd.

[110] Vgl. ebd.

[111] Lemmen, Thomas: Muslime in Deutschland: a.a.O., S. 28.

 

[112] Vgl. ebd.

[113] Ebd.

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