Dienstag, 5. März 2024

Merowinger

 1) Einleitung

Gundowald (geb. um  545), der vermeintliche oder doch wirkliche Sohn Chlothars I., war eine wichtige Gestalt in den vielschichtigen innermerowingischen Auseinandersetzungen zur Zeit der Chlodwig-Enkel.[1] Der söhnelose Childebert I. hatte ihn zunächst als gerechtfertigten Nachfolger anerkannt. Chlothar I. hingegen bestritt seine Vaterschaft. Von seinem Halbbruder Charibert aufgenommen, von Sigibert I. nach Köln ausgewiesen, floh Gundowald nach Italien zu Narses, dem Oberbefehlshaber der dortigen oströmischen Truppen, und weiter an den byzantinischen Kaiserhof.[2] Nach bewährtem Muster wurde der mögliche Thronfolger als diplomatische Schachfigur ausgenutzt. Die Chancen für eine Thronfolge schienen günstig, da sowohl Desiderius, der dux Chilperichs in Aquitanien, als auch König Gunthrams fähigster Feldherr Mummolus, der sich mit seinem Herrn zerstritten hatte, Gundowald unterstützten. Kaiser Tiberios I.(II.) gab seine Erlaubnis und stattete Gundowald mit großen Mengen Hilfsgeldern aus. Der Thronprätendent traf Ende September 582 in Marseille ein, wurde dann aber zunächst überraschend durch eine Intrige vom Dux Gunthram Boso aufgerieben und zog sich auf eine Insel vor der Provence zurück.[3]

Die Ermordung Chilperichs I. im Herbst 584 veränderte die Gegebenheiten zunächst. Die Austrasier riefen Gundowald nach Aquitanien. Im Dezember 584 wurde er in Brives-la-Gaillarde durch Schilderhebung zum König ernannt. „Gundowald kommt in das Limousin und lässt sich (im Dezember 584) zum König erheben; bei der Schilderhebung fällt er fast vom Schild.“[4] „„De signis quae apparuerunt“; nach Gregors Meinung („ut opinor“=Eigenrede)

kündigt dieses Zeichen (scil. Gottes) den Untergang Gundowalds an.“[5]

Durch die abermalige Annäherung zwischen Gunthram und Childebert II. geriet Gundowald zunehmend ins Abseits und wurde zu Beginn des Jahres 585 in einen Hinterhalt gelockt und getötet. Soweit die grundlegenden Fakten, die fast ausschließlich durch Gregor von Tours bezeugt sind. Zunächst werde ich auf die Quellenlage eingehen, dann ich werde versuchen die "Gundowald-Affäre" anhand  den damaligen diplomatischen Verwicklungen zu beschreiben. Dabei wird auch die Frage auftauchen, inwieweit sich beweisen lässt, ob Gundowald ein Sohn Chlothar I. war. Weitergehend wird in der These beschrieben, wer Mummolus war, und warum er Gundowald unterstützte.

 

2) Quellenlage

 

Wenn wir nach den Quellen fragen, die uns über die Zeit der Merowinger zur Verfügung stehen, so spielen im nichtschriftlichen Bereich die zahlreiche Grabfunde eine bedeutende Rolle.[6] „Über die Reichsgründung der Franken im 5. Jahrhundert läst sich wenig Gesichertes sagen, denn eine Stammessage, eine sog. Origo gentis, die ursprünglich auf mündlicher Tradition beruht und über Herkunft, Namensableitung und sagenhafte frühe Anführer berichtet, wie wir sie z.B. von den Goten oder Langobarden kennen, ist von den Merowingern nicht überliefert.“[7] „So betreten wir erst mit der Zeit Chlodwigs festeren Boden, denn nach der quellenarmen Zeit, dem „Wellental“ des 5. Jahrhunderts, folgt der „schäumende Wellenberg Gregor von Tours“.“[8]

Das Werk des Bischofs Gregor von Tours, ist zu einer Leitquelle des 6. Jahrhunderts geworden, schlicht aus dem Grund, dass sie das einzige größere Werk der Zeit darstellt und ohne sie wohl kein Überblick über die Zusammenhänge der Epoche herzustellen wäre.[9] „Die Quellenarmut ist so groß, dass wir die Namen einzelner Merowinger allein durch Gregors Aufzeichnungen überliefert haben.“[10] „Es verwundert aber auch nicht, dass die nach 573/75 entstandenen „Zehn  Bücher Geschichten“ (Decem libri historiarum) dementsprechend häufig untersucht und interpretiert worden sind.“[11]

Von seiner Herkunft her war Gregor kein Franke, sondern Angehöriger der gallo-römischen Senatorenaristokratie, die nach wie vor in römischer Tradition erzogen und gebildet war und entsprechend eine gewisse Reserviertheit gegenüber den Barbaren an den Tag legte, zu denen in der römischen Diktion auch die Franken zu rechnen waren.[12]      

Auch wenn den Quellen Gregors eine beinahe exklusive „Deutungshoheit“ zugeschrieben werden kann, so darf  ihnen weder unbesehen noch wörtlich geglaubt werden; zugleich muss die Kritik nicht soweit getrieben werden, dass sie eine Aussage verhindert.[13]

 

3) Die Geschichte Gundowalds, und die Frage ob er ein Merowinger war?

 

Im Zusammenhang mit den Gattinnen  und Konkubinen König Gunthrams verwies Gregor von Tours darauf hin, dass als merowingischer Königssohn derjenige gelte, der von einem Merowingerkönig gezeugt wurde, und dass hierbei die Herkunft und Stellung der Mutter (die in keiner Quelle namentlich genannt wird) keine Rolle spiele.[14] „Ungefähr im Jahre 555 hatte seine Mutter den damals etwa zehnjährigen Knaben seinem Onkel Childebert als Sohn Chlothars I..“[15] „Das erfuhr König Chlothar und schickte Boten an seinen Bruder, die ihm sagten: „Laß den Knaben ziehen und zu mir kommen.““[16] Hier stellt sich mir die Frage, ob Chlothar I. nicht von vornherein eine ablehnende Haltung gegenüber seinem angeblichen Sohn hatte, und ihn nur zu sich bringen ließ um ihn zu demütigen, - wie sein folgendes handeln verdeutlicht: „Als Chlothar ihn aber sah, befahl er, ihm die Locken abzuscheren und sprach: „Den habe ich nicht gezeugt.““[17] "In VI.24 trägt Gregor zusammen, was er über die Vorgeschichte dieses geheimnisvollen Mannes erfahren hat; dabei hält er sich in der Frage der wirklichen Abstammung deutlich zurück.“[18] Es lässt sich also nicht eindeutig klären ob, Gundowald wirklich königlicher Abstammung sei. „Gundowald war in Gallien geboren, sorgfältig erzogen und sogar wissenschaftlich ausgebildet worden (litteris eruditus); nach fränkischer Königssitte trug er seine Locken lang auf den Rücken fallend.“[19] Wie schon in der Einleitung erwähnt, wurde Gundowald nach Chlothars Tod (561) von Chlothars Sohn Charibert, dem Teilkönig von Paris aufgenommen, später aber von Chariberts Bruder Sigibert I. nach Köln verbannt – wiederum unter Verlust der nachgewachsenen Lockenpracht.[20] Nachdem er wie beschrieben zu Narses flüchtete, heiratete er und zeugte mehrere Kinder, über die nichts bekannt ist.[21] Nach langem Exil in Italien und Konstantinopel kehrte Gundowald mit Unterstützung des Oströmischen Reiches im Spätsommer 582 nach Marseille zurück. (Nähere Einzelheiten beschreibe ich im Kapitel 5.)

Dort angekommen, stellte ihn dux Gunthram Boso kalt und entwendete die ihm von

Tiberios I. (II.) ausgehändigten Schätze.[22] Nach der Annäherung Gunthrams und Childeberts   wurde Gundowald isoliert: „So verzichtete er auf den geplanten Zug nach Poitiers, denn er hatte vernommen, dass schon ein Heer gegen ihn aufgeboten wurde. Er konnte aber seinen Umritt in Aquitanien fortsetzen und sich huldigen lassen, wobei er – wie Gregor ausdrücklich betonte – in Civitates des ehemaligen Sigibert-Anteils den Treueschwur nur im Namen König Childeberts entgegennahm.“[23]

König Gunthram hatte inzwischen ein großes Heer zusammengestellt, das Gundowald nachzog.[24] Gundowald wich über die Garonne zurück nach St. Bertrand-de-Comminges und gewann durch eine List die Stadt und verschanzte sich dort.[25] „Gundowald bemächtigte sich der befestigten Civitas Comminges und sperrte den Bischof aus.“[26] Gregor von Tours beschreibt diese List folgendermaßen: „In diese Stadt zog Gundowald zu Beginn der Fasten ein und redete die Bürger so an: „Wisset, dass ich von allen, die in Childeberts Reich leben, zum König erwählt bin und einen nicht geringen Anhang bei mir habe. Weil aber mein Bruder König Gunthramn ein unermessliches Heer gegen mich führt, müsst ihr alle Lebensmittel und alle eure Gerätshaften innerhalb der Mauern schaffen, damit ihr bis dahin nicht aus Mangel sterbt, bevor uns die Liebe Gottes Beistand senden wird.““[27] Die Bewohner glaubten seiner Rede, und folgten seinen Anweisungen.[28] „Während der sich nun in Comminges aufhielt, sprach er zu den Einwohnern: „Sehet, schon kommt das Herr, ziehet also aus, um ihm tapfer zu begegnen.““[29] „Als sie tatsächlich auszogen, bemächtigten sich Gundowalds Leute der Tore und schlossen sie; so wurden die Bewohner der Stadt mit ihrem Bischof ausgesperrt, und jene brachten alles was sie in der Stadt fanden, in ihre Gewalt.“[30] „Eine so große Menge an Getreide und Wein wurde dort gefunden, dass sie viele Jahre hindurch keinen Mangel an  Lebensmitteln gehabt haben würden, wenn sie nur mannhaft Widerstand geleistet hätten.“[31]

Höchstwahrscheinlich wurden die Bewohner von Comminges ausgesperrt um einer andauernden Belagerung länger standhalten zu können, da so weniger Lebensmittel verbraucht worden wären.

 „Diesen letzten Akt in Gundowalds aufregendem Leben schilderte Gregor von Tours ausführlich und dramatisch.“[32] „Es stiegen aber manche die Höhe hinauf und riefen öfters Gundowald zu, schmähten ihn und sprachen: „Bist du nicht jener Anstreicher, der zu Zeiten König Chlothar Wände und Decken in den Bethäusern malte?“[33] Die Erniedrigungen seiner Gegner gegenüber Gundowald und die Anzweifelung seines königlichen Geschlechts beschreibt Gregor von Tours detailreich. „Bist du nicht der, den die Bewohner Galliens oft Ballomer nannten?“[34] Ein Ballomer ist ein einfacher Müllers-Sohn.

„Nicht der, den wiederholt die Frankenkönige wegen dieser Ansprüche, die du erhebst scheren ließen und in die Verbannung schickten?“[35]

Scheinbar wussten seine Gegner nichts von der Unterstützung durch den Oströmischen Kaiser Tiberios I.(II.). Dies ist durch folgende, durch Gregor von Tours überlieferte Zitate nachzuvollziehen: „Sage doch, wer hat dich zu solcher Vermessenheit verleitet, dass du wagst, das Gebiet unser Herren und Könige zu betreten?“[36] „Bist du von jemandem gerufen, so sage es offen und klar.“[37] Und weiter, mit der Drohung seines Untergangs: „Nenne also deine Gefährten, Mann für Mann, und gib uns die an, die dich geholt haben.“[38]

Auf die Schmähungen seiner Gegner erwiderte Gundowald kurz seine zuvor beschriebene Lebensgeschichte. Als Rechtfertigung für seine Ansprüche nennt er einen Besuch von Gunthramn Boso in Konstantinopel: „Vor einigen Jahren nun, als Gunthramn Boso nach Konstantinopel kam und ich ihn voll Sorgen befragte, wie es mit meinen Brüdern stände, erfuhr ich, dass unsere Stamm sehr geschwächt sei und von unserm Geschlecht nur noch Childebert und Gunthramn lebe, mein Bruder und meines Bruders Sohn.“[39] „Denn die Söhne König Chilperichs waren, wie er selbst, gestorben, nur ein einziges Knäblein hatte er hinterlassen.“[40] Die Sorge um sein Geschlecht beweißt, dass er sich selbst, zweifelsohne für einen Merowinger gehalten hat. Gundowald rechtfertigt nach Gregor von Tours, seine Ansprüche durch die familiären Gegebenheiten: „Mein Bruder Gunthramn hatte aber keine Söhne, und unser Neffe Childebert war ohne Macht und Ansehn.“[41] Des weiteren legitimiert er sein Anrecht mit einer von Gunthramn Boso ausgesprochenen Einladung: „Da lud mich Gunthramn Boso, nachdem er mir dies alles sorgfältig auseinandergesetzt hatte, ein, hierher zu kommen, und sprach: ,Komm, denn es laden dich alle Großen im Reiche König Childeberts ein, und wagt niemand, wider dich die Zunge zu regen.“[42] Die Annerkennung Gundowalds durch Gunthramn Boso, ist möglicherweise in intriganter Schachzug gewesen. „Wir ja wissen alle, dass du ein  Sohn Chlothars bist, und es gibt keinen in Gallien mehr, der das Reich der Franken regieren könnte, wenn du nicht kommst.“[43] Die Erschleichung des Vertrauens Gundowalds durch Gunthramn Boso hatte mutmaßlich machtpolitische als auch materielle Gründe: „Ich gab ihm viele Geschenke, und er schwur mir bei zwölf heiligen Stätten, dass ich sicher in dies Reich kommen könnte.“[44]

Gundowald versuchte seine Gegner zu beschwichtigen und seine Rechtmäßigkeit zu bestätigen: „Wollt ihr die Wahrheit erkunden von alledem, was ich sage, so fragt bei Radegunde zu Poitiers und bei Ingotrude zu Tours an, sie werden euch bestätigen, dass alles so ist, wie ich es euch sage.“[45]  Trotz Gundowalds überzeugender Darstellung seiner Legitimation, konnte er seine Gegner nicht überzeugen: „So sprach er, viele aber begleiteten seine Worte mit Schmähungen und Schimpfreden.“[46]

 

 

Die Belagerung der Stadt zog sich über zwei Wochen hin, ohne dass es gelang, die Stadt

einzunehmen.[47] Also versuchten die Belagerer mit einer List die Entscheidung herbeizuführen:

„Geheime Boten der Belagerer gelangten in die Stadt und  beschworen Mummolus von seinem „Wahnsinn“ abzulassen; gegen Zusage der Sicherheit für ihr Leben erklärten sich Mummolus und seine Gefährten bereit, den Bund mit Gundowald fallen zu lassen und ihn selbst auszuliefern.“[48] „ Es gelang ihnen wirklich, Gundowald zur Aufgabe zu bewegen, wobei Mummolus „ihm aber mit einem Eid versicherte, es werde ihm nichts Übles widerfahren.““[49] „ Aber jener durchschaute ihre List und sprach unter Tränen: „Auf eure Einladung bin ich in die gallische Land gekommen, und von meinen Schätzen, in denen sich eine unermessliche Menge von Gold, Silber und Kleinodien aller Art findet, ist manches in der Stadt Avignon geblieben, manches hat mir Gunthramn Boso entwendet.“[50] Jedoch hatte Gundowald nicht nur Teile seiner Schätze, sondern auch das Vertrauen und den Rückhalt seiner Verbündeten verloren. Das einzige was ihm geblieben war, war sein Vertrauen zu Gott.

„Nächst Gottes Hilfe habe ich auf euch alle meine Hoffnungen gesetzt, euch meine Entschlüsse anvertraut, durch euren Beistand immer zu herrschen gewünscht.“[51]

„Nun klage ich euch vor Gott, wenn ihr mich belogen habt; denn er wird meine Sache richten.“[52] Obwohl Gundowald seinem Schicksal bewusst war, versuchte Mummolus ihn weiter zu täuschen: „Wir sprechen nicht trügliche Worte zu dir; denn siehe, es stehen schon tapfere Männer am Tore und warten auf deine Ankunft.“[53] Unter falschem Eid versicherte Mummolus, dass Gundowald nicht Übles widerfahren würde.[54]

„Sie geleiteten ihn vor das Tor, wo er von Gunthrams Heerführern in Empfang genommen wurde; „Mummolus aber kehrte mit seinen Genossen in die Stadt zurück und verrammelte dann das Tor.““[55] Hier zeigt sich ein zweites Mal Gundowalds Gottesfürchtigkeit: „Als Gundowald sich so in die Gewalt seiner Feinde gegeben sah, hob er seine Augen und Hände auf gen Himmel und sprach: „Ewiger Richter und wahrer der Unschuld, du Gott, von dem alle Gerechtigkeit stammt, dem die Lüge nicht gefällt und bei dem kein Falsch und keine List der Bosheit bestehen kann, dir befehle ich meine Sache und bitte dich, dass du schnell zur Rache

herbeieilst über die, die mich Unschuldigen in die Hand meiner Widersacher überantwortet haben.““[56] Durch den späteren Tod Mummlous, scheinen seine Gebete zumindest teilweise erhört worden zu sein. .

 

Kaum ein Stück entfernt vom Stadttor stieß Graf Ollo, einer der Anführer, Gundowald in das steil abfallende Tal; „er rief: Sehet, das ist euer Ballomer, der sich rühmt, eines Königs Bruder und Sohn zu sein“, und warf eine Lanze nach ihm und wollte ihn durchbohren, aber sie prallte an den Ringen des Panzers ab und tat ihm nichts.[57] Ein von Ollos Gefährten geworfener Stein zerschmetterte Gundowalds Kopf.[58] „Die aufgebrachte Volksmasse ließ aber nun ungehindert ihren Zorn an dem vermeidlichen Betrüger aus: „Und es lief alles Volk herbei und durchbohrte ihn mit den Lanzen, sie banden einen Strick um seine Füße und schleiften ihn durch das ganze Lager des Heeres; sie rissen ihm die Locken und den Bart aus und ließen ihn endlich unbeerdigt an der Stelle liegen, wo er getötet worden war.““[59]

 

4) Wer war Mummolus, und warum unterstützte er Gundowald?

 

Mummolus (eigentlich Eunius, M. war Beiname) war Patricius (d.h. so viel als dux in einem Teile der Provincia. d.h. der Provence) des merowingischen Königs Gunthram von Burgund.[60] Sohn des Peionius, Grafen der Stadt Auxerre, begann er seine Laufbahn dadurch, dass er seinen Vater stürtzte: von diesem beauftragt, mit reichen Geschenken , den König zu bewegen, dem Vater das Amt zu verlängern, bewarb er sich mit des Vaters Gaben selbst um das Amt und erhielt es.[61] Von da an stieg er rasch auf: schon im Jahr 562, als König Chilperich I. Tours und Poitiers angriff, zeichnete sich Mummolus aus.[62] Besondere Verdienste jedoch erwarb er sich bei der Verteidigung Südfrankreichs gegen die Langobarden.

Nachdem diese König Gunthrams Patricius Amatus (Befehlshaber der burgundischen Armee) geschlagen hatten, wurde Mummolus dessen Nachfolger.[63]

Die aggressive Politik Chilperics (Neustrasien) erforderte notwendige Änderungen der Beziehungen zwischen Austrasien und Burgund. Kaiser Tiberios I.(II.)wurde über diese veränderte

Lage informiert und registrierte, dass er zu diesem Zeitpunkt keine militärische Hilfe

seitens Austrasien und Burgund gegen die Langobarden in Italien erwarten konnte.[64]

Chilperic fürchtete die starke Armee des Burgundenreiches unter der Führung des äußerst erfolgreichen Feldherrn Mummolus und kontaktierte die byzantinische Hauptstadt mit der Bitte um Unterstützung des Kaiserreiches, um Angriffe seitens seiner Brüder Gunthram und Childebert II zu vermeiden, die im Vertrag zu Pompierre begründet waren.[65] Chliperichs attakierte das burgundische Königreich.

 

Der Angriff schlug fehl, da Mommulus (Gunthrams militärischer Befehlshaber) erfolgreich die Gebiete verteidigte. Aber Gunthrams beide Söhne fielen im Kampf 577.

Da Gunthram nun keine männlichen Nachkommen mehr hatte, wurde im Vertrag zu Pompierre folgendes beschlossen:

„1. King Guntram, after noting that he had no sons, put forth a request: “Let my nephew be           a son to me”. He then placed the child to his throne (“super cathedram suam”) next to him and transferred his entire kingdom to the boy („cunctum ei regnum tradedit“).As he did  this, he said, “May one shield protect us and one spear defend us.””[66]

 „2. Guntram  then promised that if he should have a son of his own, he would still regard Childebert as his son, with all the rights to which he was entitled by the laws of inheritance applicable to a true son.”[67]

„3. The proceres of the Austrasian kingdom  then promised that they would support Childebert’s adoption by Guntram.”[68]

 

Als Gegenzug zu diesem Vertrag wollte Chilperich das Vorhaben des Kaisers Tiberios I.(II.) Gundowald als Ersatz für Gunthram zu schicken unterstützen.[69] Mit der Niederlassung Gundowalds an Gunthrams Stelle Kaiser Tiberios konnte die burgundische Armee unter Führung von Mummolus in Italien einsetzen, um die Langobarden zu vertreiben.[70]

Da König Gunthram an einer Allianz mit dem Kaiserreich nicht interessiert war und keine

Ambitionen hatte, dieses im Krieg gegen die Langobarden zu unterstützen, verlor er seinen erfolgreichen Feldherrn Mummolus. Dieser – im Gegensatz zu Gunthram – wollte das byzantinische Kaiserreich militärisch in Italien unterstützen. Er floh aus Burgund mit seiner Familie, seinen Schätzen und einer großen Gefolgschaft  hinter die Mauern von Avignon.[71]

 

Wie schon erwähnt, verließ nach langen diplomatischen Verhandlungen Gundowald im Sommer 582 mit einem Schatz aus Gold und Silber (Wert unbekannt) in Begleitung von Guntram Boso Konstantinopel per Schiff mit dem Ziel Marseille. Seine Rückkehr wurde vom byzantinischen Reich unterstützt, damit folgende Pläne verwirklicht wurden:

„1. Mummolos, whose military reputation would rally the Burgundian army to Gundovald, was to lead the new king’s forces against King Guntram. Imperial gold would help to encourage defections and garner support for Gundovald.”[72]

„2. The military forces of the Austrasian kingdom would also attack King Guntram. Here, not only imperial gold but also Tiberius’s possession of or ability to take possession of Ingund as a hostage might be of help in encouraging Austrasian support.”[73]

„3. After King Guntram’s forces were defeated, he would be deposed, and Gundovald would be established in the [old] Burgundian kingdom.”[74]

„4. The Austrasian and Burgundian armies under the command of  Mummolus would    then be used for a massive invasion of Italy, which would destroy the Lombard           duchies and restore imperial control to the peninsula.”[75]

„5. Some measure of autonomy over the “Frankish provinces” in northern Italy would be restored to the Austrasians.”[76]

 

Kurz nach seiner Ankunft in Marseille verließ Gundowald aus Sicherheitsgründen diese Stadt  (ein Teil der Stadt gehörte Gunthram). Mit einem großen Teil seiner Schätze und in Obhut von Bischof Theodorus machte er sich auf den Weg nach Avignon, wo er von Mummolus herzlich empfangen wurde. Avignon stand unter Mummolus Schutz.[77]

 

Nachdem Mommulus wahrnahm, dass Avignon kein sicherer Platz für Gundowald war, schickte er ihn unter strenger Bewachung nach Iles d’ Hyères, 15 km vor Cap Bénat.

Diese Vorsicht wurde gerechtfertigt, da kurz darauf (583) Avignon stark umkämpft wurde.[78]

 

Die Pläne gingen wie in Kapitel vier beschrieben nicht auf, und Gundowald wurde getötet.

 

Mummolus wurde in St. Bertrand-de-Comminges belagert. Der König befahl alle zu töten und die Stadt zu verbrennen.[79] Mummolus flüchtete in das Zelt vom Oberfeldherren Leudigisel, der unter dem Vorwand ihn retten zu wollen, hinausging und sofort befahl, das Zelt zu umstellen und Mummolus zu töten.[80] Mummolus wehrte sich verzweifelt, jedoch wurde er von zwei Speeren gleichzeitig niedergestreckt.[81]

Somit endete die Gundowald-Affäre.

 

5) Fazit

 

Inwiefern Gundowald als eigenständig handelnde Persönlichkeit angesehen werden kann, darf angezweifelt werden. Zeit seines Lebens auf die Unterstützung durch einflußreiche Personen und fremde Mächte angewiesen, die vor allem ihre eigenen Ambitionen durch ihn durchzusetzten versuchten, gelang es ihm nie, eine eigene, von der Mehrheit anerkannte Führungsstellung innerhalb des merowingischen  Adels zu schaffen; in dem Kontext der Partikularinteressen der durch diesen Adel repräsentierten Völker, kann sicherlich auch die Allianz des gallo-römischen Generals Mommulus mit dem oströmischen Kaiser Tiberios I.(II.) gesehen werden: Mommulos erhoffte wohl durch Unterstützung Gundowalds (mittels dessen vorgeblicher Herkunft) Einfluß auf das merowingische Reich zu erlangen, um im Endeffekt seine (gallo-römische) Position zu stärken. Dieses Ziel vor Augen dürfte seine Bereitschaft, eine Allianz mit Ostrom zu schmieden deutlich gestärkt haben. Ostrom selbst hatte wohl, neben einem militärischen Verbündeten, auch Interesse an einem fränkischen Herrscher mit zweifelhafter Herkunft, auf den Einfluß auszuüben als leichter (günstiger?) antizipiert worden sein mag,  . 

Gundowalds Macht innerhalb dieser Gemengelange dürfte lediglich darin bestanden haben,

als lebendiger Vorwand zu dienen, um die beschriebenen Interessen durchsetzen zu können. Mommulus half ein schwacher König, Gundowald brauchte einen starken General.

Ostrom war primär an einem lenkbaren (zwecks Vertreibung der Langobarden aus Italien), sekundär an einem zumindest uneinigen Merowingerreich interessiert.  

 

6) Literaturverzeichnis

 

-Bachrach, Bernard S.: The anatomy of a little war : a diplomatic and military history of the -Gundovald affair (568 - 586), Boulder u.a. 1994.

- Dahn, Felix, „Mummolus (eigentlich Eunius,“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 22 (1885), S. 712-714 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/artikelADB_pnd137913222.html

- Gregor von Tours: Decem Libri Historiarum, hg. v. Wiss. Buchges.,Darmstadt 2000, Übersetzung nach: W. Giesebrecht., neubearb. von Rudolf Buchner

- Hartmann, Martina: Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger, Darmstadt 2003

- Heinzelmann, Martin: Gregor von Tours (538-594). >Zehn Bücher der Geschichte<

Historiographie und Gesellschaftskonzept im 6. Jahrhundert, Darmstadt 1994.

- Lubich, Gerhard: Das Mittelalter. Orientierung Geschichte, Paderborn u.a. 2010.

- Nonn, Urich: „Ballomeris quidam“ .Ein merowingischer Prätendent des VI. Jahrhunderts, in: Arbor amoena comis: 25 Jahre Mittellateinisches Seminar in Bonn, hg. v. Ewald Könsgen, Stuttgart 1990, S.35-40.

-http://www.mittelaltergenealogie.de /_voelkerwanderung/g/gundowald_koenig_585/ gundowald_frankenkoenig_585.html (eingesehen am 26.07.2010)

 


[2] Vgl. Hartmann, Martina: Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger, Darmstadt 2003 S. 64

[4] Heinzelmann, Martin: Gregor von Tours: „Zehn Bücher Geschichte”. Historiographie und Gesellschaftskonzept im 6. jahrhundert, Darmstadt 1994 S. 52 (VII 10)

[5] ebd., S. 52 (VII 11)

[6] Vgl. Hartmann, Martina: a.a.O., S. 15

[7] ebd.

[8] ebd.

[9] Vgl. Lubich, Gerhard: Das Mittelalter. Orientierung Geschichte, Paderborn u.a. 2010 S. 58

[10] ebd.

[11] ebd.

[12] Vgl. ebd.

[13] Vgl. ebd., S. 62/63          

[14] Vgl. Hartmann, Martina: a.a.O., S. 63

[15] Vgl. ebd.

[16] Gregor von Tours: Decem Libri Historiarum, hg. v. Wiss. Buchges.,Darmstadt 2000, Übersetzung nach: W. Giesebrecht., neubearb. von Rudolf Buchner, VI, 24 S. 43

[17] ebd.

[18] Nonn, Urich: „Ballomeris quidam“ .Ein merowingischer Prätendent des VI. Jahrhunderts, in: Arbor amoena comis: 25 Jahre Mittellateinisches Seminar in Bonn, hg. v. Ewald Könsgen, Stuttgart 1990, S.35-40. S. 35

[19] ebd.

[20] Vgl. ebd.

[21] Vgl. ebd.

[22] Vgl. ebd., S. 35/36

[23] ebd., S. 36

[24] Vgl. ebd., S. 37

[25] Vgl.ebd

[26] Heinzelmann, Martin: a.a.O., S. 53 (VII 34)

[27] Greg., Hist.: a.a.O., VII 33/34 S. 137

[28] Vgl. ebd.

[29] ebd.

[30] ebd.

[31] ebd.

[32] Nonn, Urich: a.a.O., S. 37

[33] Greg., Hist.: a.a.O., VII, 35/36 S. 139 

[34] ebd.

[35] ebd., VII, 35/36 S. 139/141

[36] ebd., VII, 36 S. 141

[37] ebd.

[38] ebd.

[39] ebd.

[40] ebd.

[41] ebd.

[42] ebd.

[43] ebd.

[44] ebd.

[45] ebd., VII, 36-38, S. 143

[46] ebd.

[47] Nonn, Urich: a.a.O., S. 37

[48] ebd.

[49] ebd.

[50] Greg., Hist.: a.a.O., VII, 38 S. 145

[51] ebd.

[52] ebd.

[53] ebd.

[54] Vgl. ebd.

[55] Nonn, Urich: a.a.O., S. 37

[56] Greg., Hist.: a.a.O., VII, 38/39 S. 145/147  

[57] Vgl. Nonn, Urich: a.a.O., S. 37

[58] Vgl. ebd.

[59] ebd., S. 37/38

[60] Dahn, Felix, „Mummolus (eigentlich Eunius,“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 22 (1885), S. 712-714 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/artikelADB_pnd137913222.html

[61] Vgl. ebd.

[62] Vgl. ebd.

[63] Vgl. ebd.

[64] Vgl. Bachrach, Bernard S.: The anatomy of a little war : a diplomatic and military history of the -Gundovald affair (568 - 586), Boulder u.a. 1994. S. 33

[65] Vgl. ebd., S. 34

[66] ebd., S. 32

[67] ebd.

[68] ebd.

[69] Vgl. ebd., S. 34

[70] Vgl. ebd.

[71] Vgl. ebd., S. 48

[72] ebd., S.57

[73] ebd.

[74] ebd.

[75] ebd., S. 57/58

[76] ebd., S. 58

[77] Vgl. ebd., S. 64

[79] Vgl. Dahn, Felix: a.a.O. 

[80] Vgl. ebd.

[81] Vgl. ebd.

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