Einleitung
Die Psychiatrie der 1920er Jahre
in Deutschland stand unter dem Eindruck von Kriegsfolgen, gesellschaftlichem
Umbruch und wissenschaftlichem Fortschritt. Die Weimarer Republik (1919–1933)
führte politische Reformen und soziale Maßnahmen ein, die sich auch in der
Psychiatrie auswirkten. Zugleich zeigten sich schon damals Spannungen zwischen
humanitären Ansätzen und rassenhygienischen Ideologien. Diese Arbeit untersucht
die zentralen Entwicklungen der Psychiatrie im Deutschland der 1920er Jahre,
darunter die wichtigsten Institutionen, maßgebliche Persönlichkeiten,
herrschende medizinische Theorien und Therapien, die gesellschaftliche
Wahrnehmung psychisch Kranker, den Einfluss politisch-ökonomischer Umbrüche,
frühe eugenische Tendenzen sowie wissenschaftliche Debatten und internationale
Einflüsse.
Psychiatrische
Institutionen und Versorgung
Nach dem Ersten Weltkrieg erfuhr die psychiatrische Versorgungsstruktur
Modernisierungen, die allerdings regional sehr unterschiedlich waren.
Einerseits entstanden neue Forschungs- und Klinikzentren. So wurde 1917 unter
Emil Kraepelin in München die Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie
(DFfP) gegründet, um dem Mangel an Wissen über psychische Erkrankungen zu
begegnen[1].
Dort entstand beispielsweise eine genealogisch-demografische Abteilung für
psychiatrische Genetik unter Leitung von Ernst Rüdin (1874–1952)[2].
Auch Universitätskliniken wuchsen an Bedeutung, etwa in Berlin, Heidelberg,
Frankfurt oder Leipzig; an vielen Standorten wurden Neupsychiatrie-Lehrstühle
errichtet. In Berlin eröffnete 1920 das Psychoanalytische
Ausbildungsinstitut (später Berliner Poliklinik) als erste Poliklinik mit
kostenfreien psychoanalytischen Behandlungen[3].
Auf der Versorgungsebene blieben die Landes- und Reichsanstalten für
Geisteskranke wichtigste Einrichtungen der stationären Betreuung. In diesen
„Heil- und Pflegeanstalten“ wurden in den 1920er Jahren vielfach bauliche und
organisatorische Reformen umgesetzt. So ersetzte man vielerorts die früheren
engen Einzelzellen durch lichtdurchflutete Räume mit Wannenbädern und
Wärmehallen, um ein besseres Klima zu schaffen[4].
Insbesondere wurde die Arbeitstherapie zentral: Gegen Ende der 1920er
Jahre beteiligten sich in manchen Anstalten bereits 60–80 % aller Patienten an
Beschäftigungsmaßnahmen[4][5].
Diese ergotherapeutischen Programme (z.B. Handwerk, Landwirtschaft,
Gartenarbeit) dienten sowohl der Rehabilitation als auch der Kosteneinsparung.
Allerdings zeigten sich regionale Unterschiede: Während in Einrichtungen wie
Hamburg-Langenhorn bis 1930 knapp zwei Drittel der Insassen in die
Arbeitstherapie eingebunden wurden[5],
war andernorts der Ausbau häufig ungleich vorangeschritten.
Bedeutende
Persönlichkeiten der Weimarer Psychiatrie
Mehrere Psychiater prägten in den 1920er Jahren fachliche Debatten und
Praxis. Emil Kraepelin (1856–1926) setzte als Gründer der Münchner
Forschungsanstalt wesentliche Akzente mit seiner klassifikatorischen Nosologie
(Dementia praecox vs. Manisch-depressive Erkrankung), auch wenn sein
Hauptwirkungszeitraum bereits vor den 1920er Jahren lag. Sein Schüler Ernst
Rüdin (1874–1952) leitete in München die genetische Forschung (s.o.) und
entwickelte sich zum führenden Vertreter der Erblichkeitsforschung und
Rassenhygiene[2][6].
Rüdin war 1905 Gründungsmitglied der „Gesellschaft für Rassenhygiene“ und
vertrat eugenische Theorien, die in der Endphase der Weimarer Republik
verstärkt umstritten waren[6].
Der Freiburger Professor Alfred Hoche (1865–1943) gewann 1920
öffentliche Aufmerksamkeit, als er die „Freigabe der Vernichtung lebensunwerten
Lebens“ forderte[7].
Zusammen mit Karl Binding verfasste er das 1920 erschienene Flugblatt “Die
Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“, in dem er die Tötung
Schwerstkranker zur Lastenminderung propagierte. Obwohl die Idee zu dieser Zeit
vielfach abgelehnt wurde, weist sie auf frühe Abschiedstendenzen von der
universalen Heilsverheißung der Psychiatrie hin.
Weitere wichtige Akteure waren Robert Gaupp (1870–1953), früher
Heidelberger Schüler Kraepelins, der schon vor 1933 für Rassenhygiene eintrat[8],
sowie die Praxisärzte Karl Bonhoeffer (1868–1948) und Otto Pötzl (1881–1955),
die sich beispielsweise intensiv mit Kriegsneurosen und Sozialpsychiatrie
befassten. Die Psychotherapeutenszene wurde vornehmlich von Psychoanalytikern
wie Karl Abraham und Siegfried Bernfeld ergänzt, die – meist in
Berlin – psychoanalytische Methoden verbreiteten[3].
Insgesamt war die Psychiatrie in dieser Zeit von einem heterogenen Personenbild
geprägt, in dem medizinhistorisch zukunftsweisende Protagonisten (Kraepelin,
Rüdin) neben einflussreichen Schriftstellern oder Laienpsychologen standen.
Vorherrschende
Theorien und therapeutische Praktiken
Medizinisch dominierte weiterhin ein biologisch-psychologisches Modell
psychischer Erkrankungen. Die Kraepelin’sche Nosologie (manisch-depressiv vs.
Dementia praecox/Schizophrenie) galt vielen als Standard, wenngleich sie
kontrovers diskutiert wurde. So rief etwa der Begriff Schizophrenie,
1911 von Eugen Bleuler geprägt, Debatten darüber hervor, wie sich „Hirn- vs.
seelenbedingte“ Krankheitsursachen verhalten. In der Forschung standen Genetik
(Erbfaktoren) und Neuropathologie im Vordergrund. Psychisch Kranke wurden
vielfach als Ergebnis biologischer Dispositionen gedeutet. Dementsprechend
setzte man organische Therapien ein: Neben weiterhin üblichen Verabreichungen
von Beruhigungsmitteln (Bromide, Chloralhydrat, erste Barbiturate wie Luminal)
wurde etwa bei generalisierter Paralyse die Malaria-Therapie angewandt
(siehe Nobelpreis Würdigung 1927 für Julius Wagner-Jauregg). Schlafkuren,
Kalium- oder Tuberkulintherapien waren weitere somatische Maßnahmen. Bereits
etablierte physikalische Verfahren wie Wannenbäder, Wickel, Lichttherapie oder
auch Hypnose gehörten zum Standardrepertoire der Anstaltsmedizin.
Parallel erlangten psychoanalytische Konzepte mehr Aufmerksamkeit.
Freud’s Lehren fanden in den 1920ern wachsende Anhängerschaft: In Berlin wurde
1920 ein Psychoanalytisches Ausbildungsinstitut eröffnet, das kostenlose
Therapien anbot[3].
Die Psychoanalyse versuchte, psychische Erkrankungen als Ausdruck unbewusster
Konflikte zu deuten. Dennoch blieb sie unter den deutschen Ärzten umstritten;
viele Psychiater betrachteten Psychoanalyse als unwissenschaftlich oder
politisch bedenklich. Wirtschaftlich motivierte Therapieformen gewannen dagegen
Gewicht: Durch den auf ökonomische Effizienz zielenden Zeitgeist etablierten
sich Arbeits- und Beschäftigungstherapien. Diese wurden explizit als
„aktive Krankenbehandlung“ propagiert, indem Patienten in Anstaltsarbeiten
einbezogen wurden[9].
Ende der 1920er Jahre beteiligten sich in manchen Großanstalten bis zu 60–80 %
der Insassen an solchen Programmen[4][5].
Zudem bemühte man sich mehr um eine frühe Wiedereingliederung: Frühentlassungen
wurden avisiert, und Ambulanz- oder Hausbesuchsdienste gewannen an Bedeutung.
Die Frage der Diagnosestellung war ebenfalls Gegenstand lebhafter
Debatten. Einzelne psychiatrische Gesellschaften suchten einheitliche
Klassifikationsschemata. Ein zwischen 1929 und 1933 erarbeiteter „Würzburger
Schlüssel“ mündete 1933 in einem einheitlichen Diagnosesystem für Deutschland[10].
Er basierte auf früheren Entwürfen (u. a. Kraepelin 1920) und sollte die
statistische Erfassung aller psychiatrischen Patienten ermöglichen[10].
Mit diesem Schlaglicht wird deutlich, dass schon in den späten 1920ern die
Standardisierung psychiatrischen Wissens und die Vergleiche mit internationalen
(insbesondere angloamerikanischen) Klassifikationen eine Rolle spielten.
Gesellschaftliche
Wahrnehmung psychisch Kranker
In der Weimarer Republik war das Bild psychisch Kranker nach wie vor
von Vorurteilen und Ängsten geprägt. In der Bevölkerung galten psychisch
erkrankte Menschen oft als unberechenbar oder minderwertig; gesellschaftliche
Stigmatisierung blieb hoch. Der ökonomische Stellenwert therapeutischer
Maßnahmen führte dazu, dass Kranke vielfach als „Kostenfaktor“ betrachtet
wurden[11].
Aufgrund finanzieller Zwänge durch die Inflation und spätere Wirtschaftskrise
entstand eine Tendenz, psychische Erkrankungen zu pathologisieren und möglichst
möglichst günstig zu „behandeln“. Zugleich wurden Kriegstraumatisierte
(„Kriegszitterer“) und Heimkehrer mit Soldatenstatus zunehmend als legitimer
Versorgungsfall anerkannt – eine Debatte, die lange Zeit vom Medizinrecht, den
Versicherungen und der öffentlichen Meinung begleitet wurde.
Die intellektuelle Elite diskutierte diese Fragen öffentlich:
Psychiatrische Laienliteratur, Schauspiel und Presse griffen die Thematik auf
(etwa in Romanen oder Filmen über Schizophrenie), wobei zwischen Sozialklassen
Unterschiede bestanden. Grundsätzlich war in fortschrittlichen Kreisen – etwa
unter Psychiatern, Soziologen und Vertretern reformerischer Parteien – ein
wachsendes Interesse an Sozialpsychiatrie zu beobachten. So engagierten sich
etwa kommunale Gesundheitsämter und Wohlfahrtsverbände verstärkt für
Fürsorgeprogramme und Häusliche Pflege. Andererseits sorgten konservative
Stimmen für Kontinuität der traditionellen Verwahrungseinweisung. Generell
aber mangelte es in der breiten Öffentlichkeit noch an einem positiven
Verständnis für psychische Leiden: Psychiatrie wurde weiterhin vielfach mit
„Irrenanstalt“ gleichgesetzt und als Randphänomen des Gesundheitswesens
wahrgenommen[11].
Politische,
wirtschaftliche und kulturelle Einflüsse
Die politischen Umbrüche der Weimarer Zeit wirkten wesentlich auf die
Psychiatrie. Die Verfassung von 1919 garantierte soziale Fürsorge, doch reale
Reformen waren oft zäh. Das Reichsversorgungsgesetz von 1920 etwa
sicherte Kriegsversehrten Rentenansprüche auch bei psychischen Verletzungen.
Dieser Rechtsrahmen führte zu einer politisch-medizinischen Debatte über die
„Entschädigungswürdigkeit“ von Kriegsneurosen, an der Ärzte wie Karl Bonhoeffer
und Arthur Kronfeld beteiligt waren. Wirtschaftlich führte die Hyperinflation
(1923) kurzzeitig zu katastrophaler Unterversorgung (Lebensmittelknappheit,
ausgehungerte Heimbewohner). In den „Goldenen Zwanzigern“ erholte sich die
Finanzierung, woraufhin Ansätze wie Familienbetreuung und Frühentlassung
stärker betont wurden[4].
Die Weltwirtschaftskrise ab 1929 setzte diesen Fortschritt
abrupt außer Kraft. Mittelknappheit und Sparmaßnahmen zwangen Kliniken dazu,
„freizügige“ Behandlungskonzepte aufzugeben[12].
Neben Budgetkürzungen ließ sich beobachten, dass ein konservativer Ärztestand
sich zunehmend politischen Extremen zuwandte: Ein historischer Rückblick konstatiert,
dass die Mehrheit der Ärzte in der endenden Weimarzeit konservativ war und sich
Offenheit gegenüber nationalsozialistischen Versprechungen zeigte[11].
Auch kulturell reagierte die Psychiatrie auf gesellschaftliche Strömungen: In
der literarischen Moderne und im expressionistischen Theater etwa fanden Themen
um Irrsinn und Verfall Eingang (z.B. Georg Heym oder Arthur Schnitzler).
Generell spiegelte sich der Kulturwandel insofern, als Psychoanalyse und
Psychotherapie als Teil einer reformorientierten Heilkunst propagiert wurden,
während gleichzeitig nationalistische und „gesundheitsreformerische“ Ideologien
(v.a. Rassenhygiene) Fuß fassten.
Frühe Eugenik und
Rassenhygiene
Bereits in den 1920er Jahren etablierten sich eugenische Ideen in der
psychiatrischen Fachwelt. Psychiatrische Lehrbücher und Fachzeitschriften
befürworteten immer stärker eine Selektion „gesundgeborenen Nachwuchses“. Die
prominente Abhandlung “Menschliche Erblichkeitslehre und Rassenhygiene“
von Erwin Baur, Eugen Fischer und Fritz Lenz (erste Auflage 1921) wurde
beispielsweise fast einhellig positiv rezensiert und rasch zum Standardwerk der
Rassenhygiene[13]. Psychiater
unterstützten dieses Buch mit überwiegend wohlwollenden Rezensionen – eine
Praxis, die laut einer Analyse dazu beitrug, die spätere rassenhygienische
Gesetzgebung intellektuell vorzubereiten[14].
In der Praxis bedeutete Rassenhygiene für psychische Erkrankungen vor
allem die Forderung nach “Erb- und Reinerhaltung“. Man strebte an,
potentiell erbkranke Menschen – darunter auch Personen mit schizophrenieartigen
Symptomen oder schwerer Intelligenzminderung – aus der Zeugung auszuschließen
oder von einer Ehe abzuraten. Die ärztliche Standespolitik begann, sich
organisatorisch zu formieren: So gelang es Rüdin, Berufsverbände der
Psychiatrie mit rassentheoretischen Gruppen zu verknüpfen (siehe nächste
Sektion). 1923 forderten Reichsbehörden erste Vernetzungen von
Anstaltsdirektoren zur gegenseitigen Kontrolle der „Erbgesundheit“.
Ein besonders drastisches Beispiel für den Mordgedanken lieferte die
Forderung des Psychiaters Alfred Hoche, 1920 – also mitten in der Weimar-Ära –
die Tötung so genannten „lebensunwerten Lebens“ zu erlauben[7]. Zwar
führte dies nicht unmittelbar zu Gesetzen, doch war es Teil eines geistigen
Klimas, in dem die Rechtfertigung von Vernichtungsmaßnahmen diskutiert wurde.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass in den 1920ern die eugenische Debatte über
sterilitätspflichtige Verbrechen und später die Tötung Behinderter immer
präsenter wurde, sofern auch manche Psychiater humanitär motivierte
Einwendungen äußerten.
Wissenschaftliche
Debatten und internationale Einflüsse
Die Weimarer Psychiatrie stand zugleich im Austausch mit
internationalen Entwicklungen. So begannen deutsche Experten, sich mit der
anglo-amerikanischen Psychiatry auseinanderzusetzen. Die Idee
psychischer Gesundheitsfürsorge („mental hygiene“) aus den USA fand in
Fachkreisen interessierte Beachtung. Die Notwendigkeit einer Klassifikation
psychischer Leiden wurde in mehreren Ländern diskutiert, was zur Gründung des
deutschen „Würzburger Schlüssels“ führte (s. o.)[10].
Innerhalb Deutschlands selbst gab es intensive wissenschaftliche
Debatten: Klassifikationsschemata (Kraepelins Entwurf 1920) wurden kontrovers
verhandelt[10],
und Fachgesellschaften wie der Deutsche Verein für Psychiatrie forderten
schließlich 1931 sogar Gutachten zur Kostensenkung im psychiatrischen
Versorgungswesen[11].
Die Grenzen zwischen Psychiatrie, Psychotherapie und Sozialwissenschaft waren
fließend: Vertreter der sogen. Sozialpsychiatrie wiesen auf die
gesellschaftlichen Ursachen psychischer Störungen hin, während andere auf
neurobiologische und genetische Faktoren pochten. International wirkte die
deutsche Psychiatrie in gewissem Maß noch als Schulmeister: Die Münchner
Akademie um Kraepelin und Rüdin galt in den 1920er Jahren etwa als europäischer
Knotenpunkt psychiatrischer Ausbildung. Umgekehrt importierten deutschsprachige
Ärzte theoretische Impulse, insbesondere aus dem anglo-amerikanischen Raum
(z.B. psychiatrische Sozialpolitik) sowie aus der aufkommenden Psychoanalyse,
die in Zentrumsländern wie der Schweiz oder Österreich wurzelte. Nicht zuletzt
förderte die Verbesserung der Kommunikationswege – Tagungen, Fachjournale,
Austausch mit Harvard- und Londoner Kollegen – einen engen Wissensfluss, der
sich im Wirken von Leuten wie Karl Stern (Emigration in die USA) abzeichnete.
Fazit
In
den 1920er Jahren befand sich die deutsche Psychiatrie in einem Spannungsfeld
zwischen Modernisierung und Reaktion. Einerseits führten Erkenntnisfortschritte
zu experimentellen Therapien und Sozialreformbewegungen (z.B. Arbeitstherapie,
Frühentlassungen, Ausbau ambulanter Hilfen)[4][5]. Schlüsselpersonen wie Kraepelin und
Rüdin erweiterten das Forschungsfeld, und die Gründung spezialisierter
Institute 1917/1920 (DFfP, Psychoanalytische Poliklinik) stärkte die
wissenschaftliche Basis[1][3]. Gesellschaftlich wurde die
Psychiatrie endlich als wichtiger Teil des Gesundheitswesens anerkannt, auch
wenn zuweilen eher aus ökonomischen Zwängen (Kosten) denn aus Empathie[11].
Andererseits
offenbarten sich fatale Entwicklungen: Die zunehmende Verknüpfung
psychiatrischer Wissenschaft mit Rassenhygiene führte in den 1920ern schon in
Ansätzen in die falsche Richtung. Forderungen nach der Aussonderung oder gar
Vernichtung „unerwünschter“ Menschen nahmen Fahrt auf[7][13]. Zudem wurde die Versorgung psychisch
Kranker gegen Ende der Dekade durch globale Krisen wieder konservativer. Die
späteren Verbrechen (1930er) waren demnach keine plötzliche Neuerung, sondern
eine Radikalisierung bereits vorhandener Denkweisen. Für die Weimarer Zeit
bleibt damit ein zwiespältiges Bild: bedeutende Reformimpulse und echte
Fortschritte standen neben ideologischen Vorläufern der schlimmsten Verirrungen
der Psychiatrie. Die sorgfältige historische Aufarbeitung dieser Epoche zeigt,
wie eng Wissenschaft, Politik und Gesellschaft verzahnt sind, und mahnt zur
Reflexion über ethische Grenzen psychiatrischer Praxis und Forschung.
Literaturverzeichnis
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DGPPN
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Berlin 2017.
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Ankele,
Monika: The patient’s view of occupational therapy: The Hamburg-Langenhorn
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Psychiatrie und Gesellschaft 1750–2000. Manchester University Press 2016,
S. 238–261.
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Fangerau,
Heinz / Müller, Isabelle: Das Standardwerk der Rassenhygiene von Erwin Baur,
Eugen Fischer und Fritz Lenz im Urteil der Psychiatrie und Neurologie 1921–1940.
Der Nervenarzt 73 (2002), S. 1039–1046.
·
Berliner
Psychoanalytisches Institut. In: Gale Encyclopedia of
Psychology. (Online)
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Zentrum für
Psychiatrie Emmendingen: Geschichte (Online-Artikel). (Abgerufen am
[Datum]).
[1] [2] [6] [8] [9] [10] [11] dgppn.de
[3] Berliner Psychoanalytisches
Institut | Encyclopedia.com
[4] [7] [12] Geschichte | Zentrum für
Psychiatrie Emmendingen
https://www.zfp-emmendingen.de/geschichte
[5] (PDF) The patient's view of
occupational therapy: The Hamburg-Langenhorn Asylum during the Weimar Period.
In: Ernst, Waltraud (Hg.): Work, Psychiatry and Society, cc. 1750-2000.
Manchester: Manchester University Press 2016, S. 238-261.
[13] [14] Das Standardwerk der
Rassenhygiene von Erwin Baur, Eugen Fischer und Fritz Lenz im Urteil der
Psychiatrie und Neurologie 1921–1940 | Der Nervenarzt

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